Max Weber (German Edition)
Wirtschaft», maß Weber die allergrößte Bedeutung für die Sonderentwicklung des Okzidents zu.
– den Staat: Schon den «Ständestaat» betrachtete Weber als Spezifikum des Okzidents, ebenso wie die Institution von Parlamenten. Aber der «Staat» als eine «politische Anstalt», mit einer rational gesetzten «Verfassung», mit rational gesetztem Recht und einer an rationalen, gesetzten Regeln («Gesetzen») orientierten Verwaltung durch Fachbeamte, diese Kombination von Merkmalen und ihre Vereinigung in dieser Institution kannte – nach Weber – nur der Okzident.
– die Wirtschaft: Hier verortete er das zentrale Spezifikum des Okzidents: den Kapitalismus.
War es ihm ein Anliegen gewesen, jeweils deutlich zu machen, welche Ansätze es in den nichtwestlichen Zivilisationen in eine vergleichbare Entwicklungsrichtung gegeben hatte und wodurch sich die spezifisch okzidentale Entwicklung davon abhob, so bewegte ihn diese Zielsetzung bei der Charakterisierung des abendländischen Kapitalismus – dieser «schicksalsvollsten Macht unseres modernen Lebens» – in verstärkter Weise.
Dessen spezifische Charakteristika waren in seiner Sicht die folgenden:
– die rational-kapitalistische Organisation von (formell) freier Arbeit,
– die an den Chancen des Gütermarktes orientierte rationale Betriebsform,
– die Trennung von Haushalt und Betrieb,
– die rationale Buchführung.
In der Analyse Max Webers erlangten diese Besonderheiten des abendländischen Kapitalismus ihre eigentliche Bedeutung erst durch ihren Zusammenhang mit der kapitalistischen Arbeitsorganisation, die das wesentliche Moment der Kalkulierbarkeit bewirkte. Für ihn und die von ihm angestrebte «Universalgeschichte der Kultur» stellte nicht die wechselnde Entfaltung kapitalistischer Betätigung das Objekt seiner Untersuchungen dar, sondern die Entstehung des «bürgerlichen Betriebskapitalismus mit seiner rationalen Organisation der freien Arbeit». Oder wie er es alternativ formulierte: «die Entstehung des abendländischen Bürgertums und seiner Eigenart, die freilich mit der Entstehung kapitalistischer Arbeitsorganisation zwar im nahen Zusammenhang steht, aber natürlich doch nicht einfach identisch ist».
Hatte Weber mit der Behandlung des Kapitalismus seine Bestandsaufnahme der wesentlichsten Spezifika der abendländischen Entwicklung abgeschlossen, so wandte er sich anschließend verschiedenen Dimensionen einer möglichen Erklärung für diese Sonderentwicklung des Okzidents zu, wobei er in einkreisender Manier vorging. Deswegen und auch wegen der durchgängigen dialektischen Verknüpfung möglicher kausaler Zusammenhänge sind gerade diese Passagen so gut dafür geeignet, das Vorgehen und die Zielrichtung der Weber’schen Soziologie zu verdeutlichen: «Der spezifisch moderne okzidentale Kapitalismus nun ist zunächst offenkundig in starkem Maße durch Entwicklungen von technischen Möglichkeiten mitbestimmt. Seine Rationalität ist heute wesenhaft bedingt durch Berechenbarkeit der technisch entscheidenden Faktoren: der Unterlagen exakter Kalkulation. Das heißt aber in Wahrheit: durch die Eigenart der abendländischen Wissenschaft, insbesondere der mathematisch und experimentell exakt und rational fundamentierten Naturwissenschaften. Die Entwicklung dieser Wissenschaften und der auf ihnen beruhenden Technik erhielt und erhält nun andererseits ihrerseits entscheidende Impulse von den kapitalistischen Chancen, die sich an ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit als Prämien knüpfen. […] Auch die Entstehung der Mathematik und Mechanik war nicht durch kapitalistische Interessen bedingt. Wohl aber wurde die technische Verwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse: dies für die Lebensordnung unserer Massen Entscheidende, durch ökonomische Prämien bedingt, welche im Okzident gerade darauf gesetzt waren. Diese Prämien aber flossen aus der Eigenart der Sozialordnung des Okzidents. Es wird also gefragt werden müssen: aus welchen Bestandteilen dieser Eigenart, da zweifellos nicht alle gleich wichtig gewesen sein werden. Zu den unzweifelhaft wichtigen gehört die rationale Struktur des Rechts und der Verwaltung. Denn der moderne rationale Betriebskapitalismus bedarf, wie der berechenbaren technischen Arbeitsmittel, so auch des berechenbaren Rechts und der Verwaltung nach formellen Regeln, ohne welche […] kein rationaler privatwirtschaftlicher Betrieb mit stehendem Kapital und sicherer Kalkulation möglich ist. Ein solches Recht und eine
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