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Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kaesler
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Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich. Es ist ja durchaus richtig, und alle geschichtliche Erfahrung bestätigt es, daß man das Mögliche nicht erreichte, wenn nicht immer wieder in der Welt nach dem Unmöglichen gegriffen worden wäre. Aber der, der das tun kann, muß ein Führer und nicht nur das, sondern auch – in einem sehr schlichten Wortsinn – ein Held sein. Und auch die, welche beides nicht sind, müssen sich wappnen mit jener Festigkeit des Herzens, die auch dem Scheitern aller Hoffnungen gewachsen ist, jetzt schon, sonst werden sie nicht imstande sein, auch nur durchzusetzen, was heute möglich ist. Nur wer sicher ist, daß er daran nicht zerbricht, wenn die Welt, von seinem Standpunkt aus gesehen, zu dumm oder zu gemein ist für das, was er ihr bieten will, daß er all dem gegenüber: ‹dennoch!› zu sagen vermag, nur der hat den ‹Beruf› zur Politik.»

IX Die Vision von der okzidentalen Rationalisierung. Professor Weber lehrt wieder
    Es war eine folgenreiche Idee des US-amerikanischen Soziologen Talcott Parsons – dem bis heute einflussreichsten Importeur Max Webers in den englischsprachigen Raum –, seine 1930 erschienene englische Übersetzung der Weber’schen Schriften über die Kulturbedeutung des Protestantismus mit dessen Vorbemerkung zur Buchveröffentlichung seiner gesammelten Aufsätze zur Wirtschaftsethik der Weltreligionen einzuleiten. Parsons muss bekannt gewesen sein, dass Weber diesen Text erst im Jahr 1920 verfasst hatte und dass er darum aus der rückwärtsgewandten Perspektive des Verfassers der Studien sowohl über den Protestantismus als auch über die chinesischen, indischen und vorderasiatischen «Systeme der Lebensreglementierung» geschrieben worden war. Parsons formulierte als Begründung: «Er wurde in diese Übersetzung aufgenommen, da er einiges über den allgemeinen Hintergrund jener Ideen und Probleme mitteilt, in den diese Untersuchung nach Webers eigener Meinung gehört.» Das bleibende Problem dabei ist, dass die Leser dieser bis heute maßgeblichen Übersetzung glauben müssen, dass Weber die Vorbemerkung als Einleitung zu seinen Arbeiten über Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus geschrieben habe. Wer den werkgeschichtlichen Zusammenhang kennt, weiß, dass dieses Missverständnis zu mancherlei Fehlinterpretationen geführt hat. Der Text der Vorbemerkung griff weit über Webers religionssoziologische Arbeiten hinaus: In ihm strömten die Ergebnisse seiner jahrzehntelangen Forschertätigkeit zusammen. So stellt er bis heute eine Art von «Schlüssel» dar – ein nachträglich formuliertes «Programm» seiner materiellen Untersuchungen. Darum soll er hier als tragfähige Ausgangsposition für eine Gesamtinterpretation des Weber’schen Werks behandelt werden, dessen einzelne Bausteine uns bereits in den vorangegangenen Abschnitten begegnet sind.
    In der Vorbemerkung tritt uns Weber als Universalhistoriker entgegen, den eine Frage beschäftigte: «welche Verkettung von Umständen hat dazu geführt, daß gerade auf dem Boden des Okzidents, und nur hier, Kulturerscheinungen auftraten, welche doch – wie wenigstens wir uns gern vorstellen – in einer Entwicklungsrichtung von universeller Bedeutung und Gültigkeit lagen?» An diese Frage anschließend, zählte Weber jene großen gesellschaftlichen Bereiche auf, in denen sich in seinen Augen maßgebliche Unterschiede zwischen dem Okzident und den übrigen Kulturbereichen verzeichnen lassen:
    – die Wissenschaften: Als dem Okzident eigentümlich betrachtete Weber die mathematische Fundamentierung, den rationalen «Beweis», das rationale Experiment, die biologische/biochemische Grundlage der Naturwissenschaften, eine rationale Chemie, das «thukydideische Pragma» der Geschichtsschreibung, die Systematik und die rationalen Begriffe der Staatslehre, die strengen Schemata und Denkformen des Rechts.
    – die Kunst: Nur im Okzident gab es – nach Weber – eine rationale harmonische Musik, die Grundinstrumente Orgel, Klavier, Violine, als Mittel zu deren Umsetzung, die rationale Verwendung des gotischen Gewölbes, eine nur für den Druck gedachte Presse.
    – die Verwaltung: Nur im Okzident beobachtete Weber jenen rationalen und systematischen Fachbetrieb der Wissenschaft, der die Ausbildung geschulter «Fachmenschen» übernimmt. Insbesondere dem «Fachbeamten», als dem «Eckpfeiler des modernen Staats und der modernen

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