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Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kaesler
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wieder einen festen Standort gefunden zu haben glaubte: München war nicht nur ein beruflicher Neuanfang, die neue Wirkungsstätte versprach auch eine Neuausrichtung seines ganzen Lebens.
    Wie war es dazu gekommen, dass der entpflichtete Honorarprofessor der Universität Heidelberg am 26. März 1919 den an ihn ergangenen Ruf des «Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus» angenommen hatte? Wieso war ihm «im Namen der Regierung des Volksstaates Bayern» die Stelle als «ordentlicher Professor der Gesellschaftswissenschaft, Wirtschaftsgeschichte und Nationalökonomie» an der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München in etatmäßiger Eigenschaft übertragen worden? Max Weber übernahm mit vereinbartem Dienstantritt zum 1. April 1919 die Nachfolge von Lujo Brentano, dem prominenten Vertreter des linksliberalen Flügels der Historischen Schule der deutschen Nationalökonomie, der diesen Münchner Lehrstuhl von 1891 bis 1914 innegehabt hatte.
    Der Berufung Webers waren heftige Turbulenzen vorausgegangen. Am Abend des 7. November 1918 hatte der Vorsitzende der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) in Bayern, Kurt Eisner, die Revolution ausgerufen, das Haus Wittelsbach für abgesetzt erklärt, den bayerischen König Ludwig III. zur Flucht gezwungen und am Tag darauf eine sozialistische «Volksregierung» der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte gebildet, mit sich selbst als deren Ministerpräsidenten und Außenminister. Im Rahmen der vielfältigen Umwälzungsabsichten dieser Regierung eines «Freien Volksstaats Bayern» sollte unbedingt ein sozialistischer Wissenschaftler auf den Brentano-Lehrstuhl berufen werden. Erst nachdem Otto Bauer und Karl Kautsky abgelehnt hatten, nahm der Hochschulreferent des Kultusministeriums, Franz Matt, die Angelegenheit wieder in seine erfahrenen Beamtenhände. Abweichend von der tatsächlichen Vorschlagsliste der Fakultät, die den Nationalökonomen Moritz Julius Bonn an die erste Stelle und die Nationalökonomen Gerhart von Schulze-Gaevernitz und Max Weber gemeinsam auf die zweite Stelle gesetzt hatten, beschloss der bayerische Ministerrat in seiner Sitzung am 18. Januar 1919, die Verhandlungen zuerst mit Max Weber aufzunehmen. Die offensichtlich beabsichtigte Ruferteilung an Weber wurde am 26. März 1919 auf einer Sitzung des Aktionsausschusses der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte heftig kritisiert: Es wurde gefordert, den Lehrstuhl mit einer Persönlichkeit zu besetzen, die «die Gesinnung der Jugend mit sozialistischem Geist zu durchtränken versteht». Max Weber habe sich dagegen stets in «bürgerlich-kapitalistischen Gedankengängen» bewegt. In der Resolution verlangte der Aktionsausschuss, «daß der freigewordene Lehrstuhl für Nationalökonomie lediglich von einem Manne besetzt wird, der tiefes Verständnis hat für die Nöte des schwerringenden Volkes, vor allem aber dem Sozialismus nicht feindselig gegenübersteht». Trotz dieser Widerstände erhielt Max Weber, mit Zustimmung des sozialdemokratischen Kultusministers Johannes Hoffmann und durch die engagierte Mithilfe des damaligen bayerischen Finanzministers Edgar Jaffé, den schriftlichen Ruf. Verständlicherweise zweifelte der Jurist Weber, ob in diesem «politischen Durcheinander» seine Anstellung formell in Ordnung gehen würde.
    Es war weder die Begeisterung für die Wiederaufnahme des «Professor-Spielens» – wie er selbst mehrfach diese Tätigkeit nannte – noch die Liebe zur Münchner Universität, die Weber zur Rufannahme veranlassten, sondern zwei Motivkomplexe: Seine seit 1899 geführte Existenz als Rentier, der ausschließlich von den Kapitalerträgen seiner Mutter und seiner Frau lebte, würde er nach Kriegsende nicht fortsetzen können. Nachdem eine hauptamtlich politische Karriere für ihn nicht (mehr) möglich war, gab es zur Wiederaufnahme der bezahlten Arbeit als Universitätsprofessor keine Alternative.
    Vor allem aber ging Max Weber an die Münchner Universität – oder genauer: in diese Stadt – einer Frau wegen, die seine große, leidenschaftliche, späte Liebe geworden war. Elisabeth Freiin von Richthofen, geboren 1874, war die älteste Tochter eines preußischen Offiziers, des Friedrich Freiherrn von Richthofen, und seiner bürgerlichen Ehefrau, Anna Marquier. Aufgrund der Stellung des Vaters in der preußischen Okkupationsverwaltung nach dem Krieg 1870/71 wurden die drei gemeinsamen Töchter – Else,

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