Max Weber (German Edition)
Frieda und Johanna – im damaligen «Reichsland Elsass-Lothringen» geboren. Else von Richthofen hatte im Herbst 1891 ein Examen als Lehrerin absolviert. Nach mehrjähriger Berufstätigkeit, während der sie sich auf ein Universitätsstudium vorbereitete, begegnete sie Max und Marianne Weber Mitte der 1890er-Jahre zuerst in Freiburg. Sie freundete sich mit der vier Jahre älteren Marianne Weber an und hörte, mit einer Sondererlaubnis, Vorlesungen, unter anderem beim jungen Professor Weber. Nach anschließenden Semestern in Heidelberg und in Berlin wurde sie im Jahr 1900 mit einer von Max Weber betreuten Arbeit zum Thema Ueber die historischen Wandlungen in der Stellung der autoritären Parteien zur Arbeiterschutzgesetzgebung und die Motive dieser Wandlungen in Heidelberg zum Dr. phil. promoviert. Im Anschluss arbeitete Else von Richthofen bis zum Jahr 1902 als erste Fabrikinspektorin des Großherzogtums Baden in Karlsruhe. Im November 1902 heiratete sie den Millionär und Nationalökonomen Edgar Jaffé, der einer jüdischen Familie Hamburger Textilfabrikanten entstammte und sich zwei Jahre später in Heidelberg habilitierte. Nach acht Jahren Tätigkeit in England beim Manchester-Zweig seiner Familie besaß er genügend wirtschaftliche Unabhängigkeit, um sich ausschließlich dem akademischen Leben zu widmen. Mit ihrer Heirat beendete Else Jaffé ihre Tätigkeit als Fabrikinspektorin und wurde Ehefrau, Mutter und Hausherrin der vierstöckigen Villa «Unter der Schanz» in Heidelberg. In dichtem zeitlichen Abstand brachte Else Jaffé in den Jahren 1903 bis 1909 vier Kinder zur Welt. Im September 1906 hatte sie in München den österreichischen Mediziner Otto Gross kennengelernt. Aus dem intensiven Liebesverhältnis zwischen Else Jaffé und Otto Gross entstammte der am 24. Dezember 1907 geborene Sohn Peter, der im Alter von nur acht Jahren verstarb. Allein die Tatsache, dass Max Weber Patenonkel dieses Kindes wurde und er zugleich mit Edgar Jaffé beruflich viel tun hatte, deutet an, wie sehr die beiden Paare vielfältige und enge freundschaftliche Beziehungen untereinander pflegten. Nicht nur die beiden Frauen Marianne Weber und Else Jaffé waren gut miteinander befreundet, auch die beiden Männer hatten wissenschaftlich viel miteinander zu tun: Wie bereits dargestellt, hatte Edgar Jaffé 1904 das Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik gekauft und gab es zusammen mit Max Weber und Werner Sombart als Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik heraus.
Erheblich komplizierter wurden diese Konstellationen, als Else Jaffé noch in der Heidelberger Zeit eine intensive Liebesbeziehung mit Alfred Weber einging, dem jüngeren Bruder von Max Weber, den sie bereits seit ihrer Studienzeit kannte. Zwar geschah dies im vollen Wissen von Edgar Jaffé, der diese Beziehung keineswegs erfreulich fand, sich jedoch damit abfand, in Alfred Weber gewissermaßen einen «Ehemann Nummer zwei» zu akzeptieren. Auch das Ehepaar Max und Marianne Weber hegte erhebliche moralische Vorbehalte. Eine nur vorübergehende Entspannung der Situation stellte sich ein, als Else Jaffé im Jahr 1911 von Heidelberg nach München zog, da Edgar Jaffé im Jahr zuvor den Ruf auf eine Professur an der dortigen Handelshochschule angenommen hatte. Diese ohnehin einigermaßen schwierige Konstellation wurde noch einmal erheblich verwickelter, als Max Weber ab den Jahren 1908/1909 eine zunehmend starke Zuneigung zu Else Jaffé entwickelte, die – nach diversen Tief- und Höhepunkten in den Jahren 1911 bis 1916 –ab Herbst 1918 zu einer heimlichen Liebesbeziehung führte, obwohl sich Max Weber weiterhin an Marianne Weber gebunden fühlte und Else Jaffé (nach der Trennung von Edgar Jaffé) an Alfred Weber.
Durch die große, späte und leidenschaftliche Liebe zu Else Jaffé gelangte Max Weber, der bis dahin kein sonderliches Talent zum Glücklichsein entwickelt hatte, zur festen Überzeugung, dass die Liebe eine Erlösungkraft besitze, die weit über die Befreiung von sexuellen Bedürfnissen hinausgehe. In Else Jaffé glaubte er die Personifikation der Erotik als der «größten irrationalen Lebensmacht» vor sich zu haben, wie er sie in der Zwischenbetrachtung von 1920 beschrieb: «Gerade darin: in der Unbegründbarkeit und Unausschöpfbarkeit des eigenen, durch kein Mittel kommunikablen, darin dem mythischen ‹Haben› gleichartigen Erlebnisses, und nicht nur vermöge der Intensität seines Erlebens, sondern der unmittelbar besessenen
Weitere Kostenlose Bücher