Maxi "Tippkick" Maximilian
noch eine halbe Minute, dann kehrte er zu seiner Arbeit zurück. Seine Finger huschten über die Tastatur, als sei nie was passiert. Das konnte ich und das würde ich niemals verstehen. Mühsam erhob ich mich aus dem Sessel und ging aus dem Arbeitszimmer hinaus.
Der Kampf beginnt
Was in dieser Nacht mit mir passierte, weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall war diese Nacht schwarz. Nachtschwarz, so wie die Trikots der Wilden Fußballkerle . Ich wachte auf, als sich die Motorsäge in den Apfelbaum fraß und die ersten Äste gegen das Garagentor krachten. Es war ein ohrenbetäubender Lärm. Ich sprang sofort aus dem Bett und warf meinen Schlafanzug mitten ins Zimmer. Ich schüttelte mein Bett gar nicht erst auf. Ich dachte gar nicht daran und zusammen mit dem Pullover, den ich anziehen wollte, riss ich gleich drei weitere aus den Schubladen raus. Sie fielen achtlos zu Boden, genauso wie die vier Hosen, sechs T-Shirts, das Dutzend Paar Socken und die unzähligen Unterhosen. Kreuz und quer wirbelten sie durch den Raum, dass es aussah, als ob es bei uns im Zimmer stürmte und schneite, und spätestens jetzt schreckte meine Schwester aus ihrem Bett.
„Bist du völlig meschugge!“, stammelte sie. „Willst du, dass eine Katastrophe passiert? Autsch?!!!“
In diesem Moment stülpte sich meine Unterhose über ihren zierlichen Kopf, und bevor sich das Sprachgenie von einer Schwester von diesem Schock wieder erholte, knallte ich die Tür schon hinter mir zu.
„Du rennst in dein absolutes Verderben! Hast du das endlich kapiert!“, schrie sie hinter mir her, während die Bilderrahmen im Flur, von der Schockwelle des Türknalls getrieben, auf dem Fliesenboden zersprangen. Ich polterte die Treppe hinunter und begrüßte meine Eltern im Esszimmer am Frühstückstisch mit keinem einzigen Wort. Früher, bis zum Ende des letzten Jahres, hatte ich zumindest ein leises ,Hallo‘ gehaucht. Aber das hatte auch niemand wirklich gehört. Mein Vater auf jeden Fall war, was mich betraf, absolut taub. Er steckte hinter seiner Zeitung wie hinter einer schalldichten Wand und bekam von allem, was ich an diesem Morgen anstellte, überhaupt gar nichts mit. Auch nicht, als ich den Kakao anstatt in meine Tasse absichtlich über die weiße Tischdecke goss.
Meine Mutter starrte mich entsetzt an. Sie tat mir leid und der letzte Satz meiner Schwester schoss mir wie ein heißer Blitz durch den Kopf: „Du rennst in dein absolutes Verderben! Hast du das endlich kapiert!“
Dann nahm ich meiner Mutter die Brotzeitbox aus der Hand und rannte hinaus.
Vor der Garage, vor der die Baumpfleger gerade die Reste des Apfelbaums auf ihren LKW luden, packte ich mir einen kräftigen, knorrigen Ast und mit diesem Ast fuhr ich in die Schule. Ich kam zehn Minuten zu spät.
Der Unterricht hatte längst schon begonnen, doch das hatte ich alles geplant. Irgendetwas in mir wusste genau, was es tat. Deshalb nahm ich den Ast und ratschte mit ihm die Spinde entlang: vom Eingangsportal bis zum Klassenzimmer der 4c am anderen Ende des Flurs. Es schepperte und krachte, als ob ein monumentaler Blechhaufen einstürzen würde, und weil ich zehn Minuten zu spät gekommen war, war der Effekt doppelt so gut.
Lehrer und Schüler stürzten aus den Klassenzimmern heraus, und gafften mir hinterher. Doch ich wartete geduldig und seelenruhig vor der 4c. Ich ratschte und schlug gegen die Spinde, bis unser Lehrer, Herr Hochmuth, erschien. Mit hochrotem Kopf baute er sich vor mir auf und hinter ihm lugten Leon, Fabi und Marlon aus dem Klassenzimmer heraus. Herr Hochmuth schnaubte. Die Luft, die er ausstieß, war so heiß wie Feuer: „Was unterstehst du dich, Maximilian!“
Doch zu mehr kam er nicht. Ich blitzte ihn an. Ja, plötzlich konnte ich das. Ich sah ihm direkt in die Augen. Dann reichte ich ihm den Stock, wartete, bis er ihn verdattert annahm, drehte mich um und ging. Jawoll! Schlotterbein und Tarzanschrei! Obwohl die erste Stunde gerade begonnen hatte, ging ich aus der Schule hinaus. Glaubt ihr mir das? Mir, Maxi Maximilian, dem braven stillen Jungen aus der piekfeinen Alten Allee Nr.1? Ja, und als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt, machten mir alle Platz. Lehrer und Schüler wichen vor mir zurück. Ich konnte es selbst nicht glauben. Mein Mut schwand mit jedem Schritt. Ich rechnete jeden Moment mit meiner Verhaftung. Je näher das Eingangsportal auf mich zukam, umso widerwilliger gehorchten mir meine Füße. Ich hing an einem Gummiband, das mich zurückziehen
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