Maximum Trouble
alles erledigt war, fragte ich den kleinen Mann, warum wir denn nicht schon morgen fliegen würden. »Morgen mußt du erst mal mit Steffens’ Partner sprechen, du taube Nuß«, sagte er, »das hast du bisher ja noch nicht für nötig gehalten.« Der kleine Mann war, wie Sie richtig annehmen, meine innere Stimme. Es war für mich schon oft von Vorteil gewesen, auf meine innere Stimme zu hören. Genauso oft, wie es von Nachteil gewesen war. Ein ziemlich ausgewogenes Verhältnis also. Aber im Moment kam sie mir gerade recht. Irgend was mußte passieren. Wenn Wachsmuth tatsächlich in Big Sur war, dann würde ich ihn schnappen. Anscheinend wartete er ja selbst auch darauf, daß was passierte. Konnte er haben.
Ich hatte in einem kleinen verschwiegenen Schließfach einer Kölner Bank noch etwas von dem Bargeld, das Knodt und mir während der Beschattung eines Waffenhändlers in die Hände gefallen war. Der Waffenhändler war während dieser Beschattung von Mossad-Agenten umgenietet worden, und wir waren plötzlich im Besitz eines kleinen Aluköfferchens mit 500 000 Dollar gewesen. Wir hatten die gebrauchten und leicht angeschmutzten Scheine brüderlich geteilt und nach drei Jahren verfügte ich immer noch über eine kleine eiserne Reserve von 150 000. Der Kurs schwankte zwar ständig und ich kriegte keine Zinsen, aber dafür hatte ich auch keinen Ärger mit gewissen fiskalischen Organen. Ein Linienflug und ein paar Spesen waren jedenfalls locker drin. Und irgendwie war ich dem armen Steffens das auch schuldig.
14.
Das Verwaltungsgebäude von Steffens’ Metzgereiimperium war in der Christophstraße. Es sah aus, als wäre es von Albert Speer begonnen und von Mies van der Rohe vollendet worden. Irgendwie frühes Woolworth.
Das Foyer war groß genug, um allen Leitern der über 300 Metzgereifilialen, über die Steffens regiert hatte, Platz zu bieten, wenn sie ein wenig zusammenrückten. Das mit den über 300 Filialen konnte ich einem der gerahmten Plakate an der Wand entnehmen, die detailfreudig die Firmengeschichte zum besten gaben. Es war die übliche Geschichte. Sie erzählte, wie Großvater Steffens eine kleine Metzgerei gründete und dann in den Ersten Weltkrieg zog und mit einer Gicht zurückkam, die er sich in den feuchten Schützengräben zugezogen hatte. Dann hatte Vater Steffens, den man den »jungen Herrn Steffens« nannte, das Unternehmen übernommen, leicht vergrößert und mit einigen Blessuren und Pferdefleischtransaktionen über den Zweiten Weltkrieg gerettet, um dann Anfang der Fünfziger den Löffel ab- bzw. das Schlachtermesser weiterzugeben, und zwar an den nächsten »jungen Herrn Steffens«, meinen Klienten. Dieser Musterschüler und tapfere einstige Flakhelfer führte das Unternehmen dann zu seiner heutigen Größe und Bedeutung. Jetzt mußten sie nur noch ein Plakat mit dem Ende der Geschichte anfertigen: wie der »junge Herr Steffens« eines Tages mit sechs Hühnerfedern im Mund tot aufgefunden wurde. Ein weiterer »junger Herr Steffens«, der das Unternehmen hätte übernehmen können, schien nicht zur Verfügung zu stehen, jedenfalls tauchte in den Annalen nichts Entsprechendes auf. Steffens’ Frau war 1975 »plötzlich und unerwartet« verstorben, und die Ehe war kinderlos geblieben.
Ich konnte mir die Firmengeschichte in aller Ruhe zu Gemüte führen, denn die Empfangsdame telefonierte in aller Ausführlichkeit ihre Wochenenderlebnisse durch. Als sie irgendwann über Aids-Risiken sprach und sich dabei unbewußt verlegen umsah, entdeckte sie mich und beendete das Gespräch abrupt. Ich durfte meinen Wunsch vortragen, zu Steffens’ Partner vorgelassen zu werden und sie telefonierte ins Allerheiligste hinauf. Sie hatte blondes, streng nach hinten gekämmtes Haar, hohe Backenknochen und blaue große Augen, die leuchteten. Das konnte auf Esprit und Intelligenz schließen lassen. Es konnte aber auch durch Kontaktlinsen hervorgerufen werden. Sie trug eine Perlenkette über einem grauen Kaschmirpullover, und auf der rechten Brust war ein kleiner roter Fleck.
Als sie mich angemeldet und eine Weile den Hörer ans Ohr gepreßt und mehrfach »das darf doch nicht wahr sein« gesagt hatte, waren ihre Augen noch ein bißchen größer.
»Stimmt das, daß man Herrn Steffens ermordet hat?« fragte sie. »Alle außer mir wissen es schon. Mir sagt ja nie jemand was.«
»Sie haben da Marmelade am Pulli«, sagte ich.
Als die Aufzugstür im 3. Stock aufging, stand Steffens’ Partner und kaufmännischer
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