Maximum Trouble
Schlachthof war, wurde mir natürlich gleich schlecht. Aber da muß man eben durch. No pain, no gain.«
»Wie lange sind Sie denn schon im Unternehmen?«
»Seit sechs Jahren. Und ich darf sagen, daß sich unser Umsatz in dieser Zeit beträchtlich erhöht hat. Man muß auch was von Marketing verstehen. Eigentlich muß man also sogar drei Jobs machen.«
Er lehnte sich wieder entspannt zurück und lächelte zufrieden. Ich sah jetzt auch, warum ich sein unverschämt gutes Aussehen aggressionslos ertragen konnte. Er hatte ein leicht fliehendes Kinn, was man auf den ersten Blick gar nicht so bewußt bemerkte. Und seine Stirn wölbte sich ein bißchen über den Brauen, so daß der ganze Kopf etwas zusammengepreßt wirkte. Es war wie ein Vexierbild. Zuerst sah man eine blendende Erscheinung, und bei genauerem Hinsehen entdeckte man auf einmal eine fast bösartige Karikatur von Warren Beatty. Jetzt lehnte auch ich mich entspannt zurück und lächelte.
»Dann war Herr Steffens sicher sehr zufrieden mit Ihnen.«
»Das kann man so sagen.«
»Und waren Sie denn auch zufrieden mit ihm?«
»Ja und nein. Wissen Sie, Steffens war dieser typische Wirtschaftswundermann. Hat das Unternehmen groß gemacht. Ärmel hochkrempeln, zupacken, diese Nummer. Wenn jemand aus einem kleinen Familienunternehmen so was Großes hochzieht, dann muß er wirklich daran interessiert sein, Geld zu machen.«
»Was ja ganz in Ordnung ist.«
»Ja, aber nicht, wenn man außer Geld kein Interesse hat. Von Kultur oder so hatte Herr Steffens keine Ahnung. Unter Kultur verstand er seine Aktivitäten im Kölner Karneval. Aber das tat er auch aus Imagegründen. Titel: Das Kölsche Original mit Herz. Dann noch sein Engagement in Afrika natürlich. Er hat da unten in Togo so ein Musterdörfchen gesponsert. Mit Schule, Krankenhaus und dem ganzen Brimborium. Eine super Public-Relations-Kiste, kann ich Ihnen sagen. Das Kölsche Original mit Herz steht wie Albert Schweitzer inmitten fröhlicher, dankbar lächelnder schwarzer Gesichter. Aber im Grunde war es immer nur das Geld, das wirklich interessierte. Er hatte keine Träume, wissen Sie. Ich bin jetzt 45 und mein Traum ist, mit 55 aufzuhören und nur noch zu leben. Irgendwann hat man doch mal genug. Aber für Steffens war Geldmachen der Sinn des Lebens. Und dabei verlor er sogar den Weitblick. Ich habe erst mal ein paar neue Marketingideen entwickelt, neue Strategien und Serviceleistungen. Steffens hat immer nur an den Kalkulationen rumgefeilt und überlegt, wie man die Gewürzmischungen noch billiger in die Mortadella pressen konnte. Er hat in Scheiben gedacht, und ich dachte in der ganzen Wurst.«
Ich mag Zyniker. Der Mann neigte zwar zu einer leicht übertriebenen Selbstdarstellung, aber seine ironischen Ausfälle gefielen mir.
»Aber Sie sind doch wohl ganz gut mit Steffens klargekommen, wenn Sie schon sechs Jahre hier sind?«
»Sicher. Ich hatte jedenfalls keinen Grund, ihn umzubringen, falls Sie mich das irgendwann auch noch fragen wollen.«
»Wer könnte denn sonst einen Grund gehabt haben?«
»Na, ich bitte Sie, der Fall ist doch klar. Es war Wachsmuth.«
»Meinen Sie? Warum?«
»Hören Sie mal, nach dem, was mir die Polizei erzählt hat, gibt es doch keine Zweifel. Außerdem, Sie selbst haben ihn doch gefunden. Sie haben das doch gesehen, diese Sauerei mit den Hühnerfedern.«
»Schon, ja. Aber mich würde das Motiv interessieren. Steffens war doch praktisch eine Art Vater für Wachsmuth.«
»Das wäre nicht der erste Vater, der von seinem Sohn umgebracht wurde, oder?«
»Aber warum? Kennen Sie Wachsmuth persönlich?«
»Nein. Ich habe ihn in den sechs Jahren vielleicht vier- oder fünfmal gesehen, wenn er Steffens im Büro besucht hat.«
»Was für einen Eindruck hat er denn auf Sie gemacht?«
»Ich habe im Grunde kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Er war immer sehr still und zurückhaltend. Nicht gerade ein Meister der Konversation. Man konnte ihm hinwerfen, was man wollte, da gab es nur einsilbige Reaktionen. Ein Langweiler ohnegleichen.«
»Und Sie wissen sonst nichts über ihn?«
»Nur das, was Steffens mir erzählt hat. Daß er ein sehr sensibler Mensch sein soll und daß er nie über den Unfall seiner Eltern hinweggekommen ist. Ich habe mich nur immer gefragt, was der Typ den ganzen Tag macht. Gearbeitet hat er ja nicht. Ich an seiner Stelle wäre ständig auf Reisen gewesen. Die Häuser haben ihm schließlich ne Menge Mieten eingebracht. Ich glaube, der Typ ist ein Fall für die
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