Maxine Sullivan
„Und ich kann es nicht leiden, wenn du mich behandelst, als könntest du über mich verfügen.“ Sie wusste, sie bewegte sich auf dünnem Eis. „Ist das ehrlich genug?“
Er sagte nichts, seine Miene blieb unergründlich. Dann drehte er sich um und ging in Richtung Tür. Dort wandte er sich noch einmal um. „Du solltest jetzt schlafen. Ich bleibe hier und achte darauf, dass dich keiner stört.“
„Das ist nicht nötig.“
„Doch.“ Ohne Erklärung verließ er den Raum.
Ein paar Stunden später wachte Kia auf. Die Übelkeit war verschwunden, sie hatte nur noch Kopfschmerzen.
„Du bist ja wach!“ Brant stand in der Tür und betrachtete Kia lächelnd.
Sie war zusammengefahren, entspannte sich aber schnell wieder. „Und du bist tatsächlich hiergeblieben?“ Sie war gerührt, aber nicht nur das. Ihr Herz schlug schneller, als sie ihn so dastehen sah. Er sah wirklich unverschämt gut aus.
„Ich musste doch aufpassen, dass du nicht wieder zusammenbrichst.“
„Bin ich doch gar nicht.“
„Aber fast. Wenn ich nicht da gewesen wäre, um dich ins Haus zu tragen.“
Warum musste er ihr immer das Gefühl geben, ohne ihn hilflos zu sein. „Wenn du mich nicht in der Einfahrt überrascht hättest, hätte ich es vielleicht noch ins Haus geschafft, bevor mir schlecht wurde“, entgegnete sie leicht verärgert.
Er stieß sich vom Türrahmen ab und kam auf sie zu. „Vor mir brauchst du doch nichts zu verbergen, Kia. Auf die Dauer lohnt sich das nicht, es kommt doch alles raus.“
Sie war zu müde, um sich mit ihm zu streiten. Er mochte im Großen und Ganzen recht haben, aber nie würde sie ihm gestehen, dass sie ihn liebte. Dabei würde er sich sowieso nur unbehaglich fühlen. Das hatte er ja gestern Abend bewiesen, als er ihr so ausweichend geantwortet hatte. Er hatte die letzte Intimität nicht zugelassen, und das bewies ihr, dass er zu einer engen Bindung nicht bereit war.
Da sie nicht antwortete, ging er davon aus, dass sie seine Sicht der Dinge akzeptierte, und trat ans Fenster. „Ich finde, wir sollten ein paar Tage wegfahren.“
„Was? Wir? Du meinst, du und ich?“
„Ja, warum nicht? Oder willst du mit jemand anderem fahren? Das möchte ich dir nicht raten.“
„Nein, nein.“ Ein paar Tage mit ihm allein, das war eine wunderbare Vorstellung. „Aber wohin? Hast du schon eine Idee?“
„Ich habe ein Haus auf dem Land, etwa eine Stunde von hier entfernt. Da bin ich immer gern. Und es bietet allen Luxus, den eine Frau sich nur wünschen kann.“
Ach so. Wie viele Frauen er wohl schon dahin mitgenommen hatte? „Hört sich gut an“, meinte sie tonlos.
„Aber, Kia!“ Seine Stimme klang weich. „Ich bin noch nie mit einer Frau dort gewesen, das schwöre ich dir. Dort fahre ich hin, wenn ich überhaupt keinen Menschen sehen will. Du bist die Ausnahme.“
Eine leichte Röte überzog ihr Gesicht, weil er sofort erraten hatte, was in ihr vorging. „Wann willst du denn los?“
„Am liebsten morgen, wenn du es einrichten kannst. Ich muss noch ein paar Sachen erledigen, aber gegen zwei können wir sicher fahren. Bleib du nur im Bett, und erhol dich. Ich bin dann gegen zwei bei dir.“
Diesmal würde sie sich nach dem richten, was er sagte. Sie wollte auf keinen Fall etwas tun, was diese kostbaren Tage in Gefahr brachte. Ein paar Tage mit dem Mann ganz allein, den sie liebte. Diese Zeit würde sie immer in ihrem Herzen bewahren.
Am nächsten Morgen fühlte Kia sich so gut wie schon lange nicht. Keine Übelkeit, keine Kopfschmerzen mehr. Nun war sie zu allem bereit. Heute würde sie mit dem geliebten Mann in sein Haus fahren und ein paar Tage sich ganz ihrer Liebe hingeben. Auch wenn er es nie erfahren würde.
Aber erst musste sie noch einmal ins Büro, um Evelyn eine Nachricht zu hinterlassen. Immerhin konnte es sein, dass die Kollegin in der nächsten Woche wieder gesund war und nachsehen kam, was im Büro so los war. Kia wusste, dass Evelyn ihre Arbeit sehr ernst nahm, und deshalb sollte sie alles möglichst geordnet vorfinden.
Wenn es doch nur schon zwei Uhr wäre! Kia freute sich wahnsinnig auf die Zeit mit Brant. Sie liebte ihn so sehr, dass sie manchmal das Gefühl hatte, ihr Herz müsse zerspringen.
Sie ging schnell den Flur hinunter auf Brants Büro zu. Ihr war, als habe sie Flügel, die sie schnell zu dem Geliebten trugen.
„Nein, du irrst dich, Royce“, hörte sie plötzlich Brants Stimme.
Wie angewurzelt blieb Kia vor dem Büro stehen. Royce? War das nicht Brants Bruder?
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