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Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen

Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen

Titel: Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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die Toten das Gebäude; die älteren kamen durch die Wände, die jüngeren benutzten aus Gewohnheit immer noch die Tür. Sie schwiegen. Sie standen einfach da und schauten erwartungsvoll zur Hauptstraße hin.
    Dort marschierten die Kameraden von Blackbury geradewegs durch die Autos hindurch.

Kapitel sechs
    D ie Kameraden bogen zur Nebenstraße ein, im perfekten Gleichschritt. Keiner von ihnen war alt. Sie sahen alle aus wie auf dem Foto.
    Aber auch Tommy Atkins sah plötzlich nicht mehr alt aus. Es war ein junger Mann, und nun stand er auf, ging auf den Parkplatz hinaus, drehte sich um und grüßte Johnny und die Toten militärisch.
    Dann, als der Zug vorbeimarschierte, trat er genau in die Lücke, die für ihn übrig war. Alle dreißig Männer schwenkten herum und marschierten davon.
    Die Toten strömten hinter ihnen her. Es sah aus, als gingen sie langsam, aber trotzdem war der Parkplatz innerhalb von ein paar Sekunden vollkommen leer.
    »Er geht zurück nach Frankreich«, sagte Johnny. Plötzlich war er regelrecht glücklich, obwohl er spürte, wie ihm die Tränen über die Wangen liefen.
    Der Mann vom Veteranenverband, der bis jetzt geredet hatte, hielt inne.
    »Was ist?« fragte er.
    »Tommy Atkins. Er geht zurück.«
    »Woher weißt du das?«
    Johnny bemerkte, daß er laut gesprochen hatte.
    »Äh –«
    Der Mann vom Veteranenverband entspannte sich.
    »Ich nehme an, die Dame aus dem Pflegeheim hat es dir erzählt, oder? Es war sein letzter Wille. Möchtest du ein Taschentuch?«
    »Nein, nein. Schon gut«, sagte Johnny. »Ja. Sie hat es mir erzählt.«
    »Ja, wir werden ihn diese Woche zurückbringen. Er hat uns einen Ort auf der Landkarte eingezeichnet. Ziemlich präzise sogar.« Der Mann klopfte auf die zweite Schachtel, die er bekommen hatte. Johnny wurde plötzlich klar, daß darin der gesamte weltliche Besitz von Tommy Atkins sein mußte, außer den Orden und ein paar vergilbten Fotografien.
    »Was werden Sie tun?« fragte er.
    »Nur seine Asche verstreuen. Und eine kleine Gedenkfeier abhalten.«
    »Dort, wo… die Kameraden gestorben sind?«
    »Genau. Er hat immerzu über sie gesprochen.«
    »Sir?«
    Der Mann blickte auf.
    »Ja?«
    »Mein Name ist John Maxwell. Wie heißen Sie?«
    »Atterbury. Ronald Atterbury.« Er streckte seine Hand aus und reichte sie Johnny. »Bist du etwa der Enkel von Arthur Maxwell? Er hat in der Stiefelfabrik für mich gearbeitet.«
    »Ja. Sir?«
    »Ja?«
    Johnny wußte, wie die Antwort lauten würde. Er konnte sie im voraus ahnen. Aber man mußte die Frage stellen, damit die Antwort ausgesprochen werden konnte. Er holte tief Luft.
    »Sind Sie mit Sergeant Atterbury verwandt? Er war einer der Kameraden.«
    »Er war mein Vater.«
    »Oh.«
    »Ich habe ihn nie kennengelernt. Er hat meine Mutter geheiratet, bevor er in den Krieg ging. So etwas ist damals häufig passiert. Auch heute noch. Entschuldige, junger Mann, aber solltest du nicht in der Schule sein?«
    »Nein«, sagte Johnny.
    »Wirklich?«
    »Ich sollte hier sein. Da bin ich mir ganz sicher«, erklärte Johnny. »Aber jetzt gehe ich wohl lieber wieder in die Schule. Danke, daß Sie mit mir gesprochen haben.«
    »Ich hoffe, du hast keine wichtigen Stunden verpaßt.«
    »Geschichte.«
    »Das ist sehr wichtig.«
    »Darf ich Sie noch was fragen?«
    »Ja?«
    »Tommy Atkins’ Orden. Waren die für was Bestimmtes?«
    »Das waren Belobigungsorden. Die Soldaten bekamen sie einfach dafür, daß sie noch am Leben waren. Und dafür, daß sie da waren. Er hat den ganzen Krieg mitgemacht, weißt du. Bis zum bitteren Ende. Wurde nicht mal verwundet.«
    Johnny ging über die Auffahrt zurück und bemerkte dann, was um ihn vorging. Etwas Wichtiges war geschehen, und er war der einzige Lebende, der es gesehen hatte, und es war
richtig
so.
    Es war auch richtig so, daß man Orden einfach dafür bekam, daß man da war. Manchmal konnte man nichts anderes tun, als einfach nur da sein.
    Als er die Straße erreicht hatte, sah er sich noch einmal um. Mr. Atterbury saß immer noch auf der Bank, die beiden Schachteln neben sich, und starrte die Bäume an, als hätte er sie sie noch nie gesehen. Er starrte einfach, als ob er geradewegs durch sie hindurchsehen könnte, bis nach Frankreich. Johnny zögerte, dann wollte er sich umdrehen und zurückgehen.
    »Nein«, sagte Mr. Vicenti, der direkt hinter ihm stand.
    Er hatte an der Bushaltestelle gewartet. Sozusagen gelauert.
    »Ich wollte nur –«
    »Ja, das wolltest du«, sagte Mr. Vicenti. »Und was

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