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Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen

Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen

Titel: Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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hättest du gesagt? Daß du sie gesehen hast? Was würde das nützen? Vielleicht sieht er sie auch, in seiner Phantasie.«
    »Na ja –«
    »Es würde nicht funktionieren.«
    »Aber wenn ich –«
    »Für so etwas wärst du vor ein paar hundert Jahren wahrscheinlich verbrannt worden, wegen Hexerei. Im vergangenen Jahrhundert hätte man dich eingesperrt. Ich weiß nicht, was man heute macht.«
    Johnny entspannte sich ein wenig. Der Drang, die Auffahrt wieder hinauf zu rennen, hatte sich gelegt.
    »Eine Fernsehsendung über mich machen, nehme ich an«, sagte er und ging die Straße entlang.
    »Nun, das wollen wir doch auf keinen Fall«, meinte Mr. Vicenti. Er ging auch, aber seine Füße reichten nicht ganz bis zum Boden.
    »Es ist nur, wenn ich den Leuten klarmachen könnte, daß –«
    »Vielleicht«, sagte Mr. Vicenti. »Aber den Leuten etwas klar zu machen ist mit schwerer, langwieriger Arbeit verbunden – entschuldige…«
    Er wackelte ein wenig mit der Schulter, wie ein Mann, der versucht, sich an einer schwierigen Stelle zu kratzen, und zog ein paar Tauben aus der Jacke.
    »Ich glaube, die brüten da drin«, sagte er und sah zu, wie sie davonflogen. »Was wirst du jetzt tun?«
    »Ich gehe in die Schule. Und sagen Sie nicht, daß das nicht wichtig ist.«
    »Ich habe gar nichts gesagt.«
    Sie kamen am Friedhofstor an. Johnny konnte das große Schild auf dem alten Fabrikgelände nebenan gerade noch erkennen; der knallblaue Himmel darauf zeichnete sich gegen das Blaugrau des wirklichen Himmels ab.
    »Sie fangen übermorgen an, uns von hier wegzubringen«, sagte Mr. Vicenti.
    »Das tut mir leid. Wie ich schon sagte, ich wünschte, ich könnte irgendwas tun.«
    »Vielleicht hast du das schon getan.«
    Johnny seufzte.
    »Wenn ich Sie frage, was Sie damit meinen, werden Sie mir doch nur sagen, daß das schwer zu erklären ist, nicht wahr?«
    »Wahrscheinlich. Komm mit. Das wird dir gefallen.«
    Auf dem Friedhof war keine Menschenseele zu sehen, nicht mal eine tote. Selbst der Rabe war verschwunden, falls es nicht sowieso eine Saatkrähe gewesen war.
    Aber vom Kanal unten kam ein ziemlicher Lärm.
     
    Die Toten schwammen. Nun ja, einige von ihnen taten es. Mrs. Liberty schwamm. Sie trug einen altmodischen Badeanzug, der ihr vom Hals bis zu den Knien reichte, aber sie hatte immer noch ihren Hut auf.
    Der Stadtrat hatte seinen Gehrock und die Amtskette ausgezogen und saß in Hemdsärmeln am Ufer. Er trug Hosenträger, mit denen man ein Schiff hätte vertäuen können. Johnny fragte sich, wie es möglich war, daß die Toten ihre Kleider wechselten, und ob sie Hitze spüren konnten, aber er nahm an, es war alles Übungssache. Wenn ein Toter in Gedanken sein Hemd auszog, dann hatte er es eben tatsächlich nicht mehr an.
    Und was das Schwimmen betraf… es platschte nicht, wenn sie hineinsprangen, es entstand nur ein ganz leichter Schimmer, der sich in kleinen Wellen bewegte und ganz schnell verschwand. Und wenn sie an die Oberfläche kamen, sahen sie nicht naß aus. Johnny stellte es sich so vor: wenn ein Gespenst (in Gedanken mußte er dieses Wort manchmal gebrauchen) ins Wasser sprang, wurde nicht das Gespenst naß, sondern das Wasser gespenstisch.
    Aber nicht alle amüsierten sich. Zumindest nicht auf die übliche Art. Mr. Fletcher und Solomon Einstein und ein paar andere standen um ein Fernsehgerät herum, das jemand hier weggeworfen hatte.
    »Was machen die da?« fragte Johnny.
    »Sie versuchen, es zu reparieren«, sagte Mr. Vicenti.
    Johnny lachte. Der Bildschirm war zerbrochen. Regen war jahrelang ins Gehäuse gelaufen. Es wuchs sogar schon Gras heraus.
    »Das wird doch nie –«, setzte er an.
    Ein Rauschen ertönte. Ein Bild formte sich in der Luft,
auf einem Bil
d
schirm, der gar nicht mehr da war.
    Mr. Fletcher stand auf und schüttelte Solomon Einstein feierlich die Hand.
    »Eine weitere erfolgreiche Verbindung von fortschrittlichen Theorien mit praktischem Know-how, Mr. Einstein.«
    »Ein Schritt in die richtige Richtung, Mr. Fletcher.«
    Johnny starrte die flackernden Bilder an. Sie hatten wundervolle Farben.
    So langsam begriff er.
    »Ist das der
Geist
des Fernsehers?« fragte er.
    »Was für ein cleveres Bürschchen!« sagte Solomon Einstein.
    »Aber mit
Verbesserungen
«, fügte Mr. Fletcher hinzu.
    Johnny warf einen Blick in das Gehäuse. Es war voller alter Blätter und verrostetem, verbogenem Metall. Aber über dem Gerät schimmerte freundlich der Umriß seines Geistes und surrte ohne elektrischen Strom

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