Maxwell 03 - Nur du hast den Schluessel
hin.«
Wobbler hatte den Eindruck, es war ganz gleich, was er sagte. Der Junge redete mit sich selbst. Ein weiterer Stein warf die Blechbüchse um.
»Ha!« sagte der Junge. »Auf die Schule
hier
sollten sie auch ‘ne Bombe werfen. Die trampeln auf uns rum, bloß weil wir aus London kommen, und weißte was, der Atterbury hat mir mein Schrapnellstück geklaut! Das hat Ron mir geschenkt. Ron ist Polizist, da kann er prima Sachen für mich finden. Hier kriegste so was wie’n Schrapnell überhaupt nicht.«
»Was ist ein Schrapnell?« fragte Wobbler.
»Spinnst du? Das is’n Stück vonner Bombe! Ron sacht, Alf Harvey hat ‘ne richtige Sammlung davon
und
ein Stück vonner Heinkel. Ron sacht, Alf Harvey hat mal ‘nen echten Naziring gefunden, da war noch’n Finger drin.« Der Junge schaute sehnsuchtsvoll drein, als hätte man ihn ganz zu Unrecht vom Zugang zu unerhörten Schätzen ausgeschlossen. »Ha! Ron sacht, die andern Kinder in der Straße sind auch wieder daheim, und ich find, ich bin auch alt genug, also geh ich.«
Wobbler hatte sich nie sonderlich für Geschichte interessiert. Für ihn war das etwas, was anderen Leuten passiert war.
Er konnte sich vage an eine Fernsehsendung erinnern, in der Filmausschnitte aus alten Zeiten gezeigt worden waren, als die Leute so arm gewesen waren, daß sie sich nur schwarzweiß leisten konnten.
Kinder mit Schildern um den Hals, die an Bahnhöfen warteten. Und die Erwachsenen hatten alle –
alle
! – Hüte getragen…
Evakuierung, genau. Sie hatten die Kinder aus den großen Städten weggeschickt, wegen der Bomben.
»Was für ein Jahr haben wir denn?« fragte er.
Der Junge warf ihm einen Seitenblick zu.
»Du bist’n Spion, wie?« sagte er und stand auf. »Du hast von nix ‘ne Ahnung. Und Amerikaner bist du auch nicht, ich hab Bilder von welchen gesehen. Wenn du’n Amerikaner bist, wo ist dann dein Gewehr?«
»Red doch keinen Quatsch, Amerikaner haben doch nicht alle Gewehre«, sagte Wobbler. »Es gibt viele, die keine haben. Na ja, wenigstens ein paar.«
»Ron sacht, es hat was inner Zeitung gestanden über deutsche Fallschirmspringer, die sich als Nonnen verkleiden«, sagte der Junge und wich zurück. »Vielleicht bist du auch so’n Fallschirmspringer, obwohl du bestimmt ‘nen großen Fallschirm gebraucht hast.«
»Also gut, ich bin Engländer«, gab Wobbler zu.
»Ach ja? Und wer ist grad Premierminister?«
Wobbler zögerte.
»Ich glaube, das war in der Schule noch nicht dran«, sagte er.
»Winston Churchill. Da brauchste doch keine Schule für«, meinte der Junge geringschätzig.
»Ha, du willst mich nur verarschen«, sagte Wobbler. »Ich weiß ganz sicher, daß wir nie einen schwarzen Premierminister hatten.«
»Du weißt gar nix«, sagte der Junge und griff nach seinem schäbigen Pappkoffer. »Und fett biste auch.«
»Das muß ich mir wirklich nicht anhören«, sagte Wobbler und ging weiter.
»Spion, Spion, Spion«, rief der Junge.
»Ach, halt die Schnauze.«
»Und du schwabbelst. Ich hab Göring in der Wochenschau gesehen. Du siehst genau aus wie der. Und du hast komische Sachen an. Spion, Spion, Spion!«
Wobbler seufzte. Er war an so etwas gewöhnt, nur hatte es in der letzten Zeit ein wenig nachgelassen, weil er jetzt
groß
und dick war; früher war er nur dick gewesen.
»Und
du
bist dumm«, sagte er. »
Ich
hab wenigstens noch die Chance abzunehmen.«
Auch ätzender Sarkasmus half nichts.
»Spion, Spion, Spion!«
Wobbler versuchte, schneller zu gehen.
»Ich sach’s Mrs. Density, und die ruft dann Ron an, und der kommt und verhaftet dich!« rief der Junge und hüpfte hinter ihm her.
Wobbler versuchte, noch schneller zu gehen.
»Ron hat auch’n Gewehr!«
Ein Mann auf einem Fahrrad kam vorbei.
»Der da is’n Spion!« sagte der Junge und zeigte auf Wobbler. »Ich halt ihn hier fest, bis mein Bruder kommt.«
Der Mann grinste Wobbler nur zu und fuhr weiter.
»Ron sacht, ihr Spione schickt Morsenachrichten an Nazi-U-Boote, mit Taschenlampen«, rief der Junge.
»Wir sind zwanzig Meilen vom Meer entfernt«, meinte Wobbler, der jetzt beinahe rannte.
»Du kannst dich ja auffen Turm stellen oder so, Spion!«
Es war einfach nur dumm, dachte Bigmac und starrte die beiden Dampfwolken vor sich an.
Was waren das für Idioten, die Autos ohne Servolenkung bauten, und mit Bremsen, die offenbar an Drähten hingen? Er hatte der Welt im Grunde einen Gefallen getan, dieses Ding von der Straße zu schaffen.
Tatsächlich hatte er es nicht nur
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