Maya und der Mammutstein
Tausende verschiedener Geruchs- und Geschmacksempfindungen auseinanderzuhalten vermochte. Das Grün eines Blatts; das klare Silber des Wassers in diesem Blatt; die Spuren toten grauen Rauchs, von einem längst erloschenen Feuer stammend; der schwere moschusartige Geruch des Mammuts oder der schärfere, salzi-gere des Bisons; selbst den schwachen, beißenden Geruch eines kleinen Insekts, das sich einen Moment auf den Blattadern ausgeruht hatte, bevor es wieder weitergeflogen war.
Die Welt, die er >sah<, war eindrucksvoll, eine überwältigende Mischung aus Düften und Aromen, die unmöglich zu erklären war. Das einzige wirkliche Problem, das Schlange hatte, ergab sich, wenn er versuchte, diese unglaublich prachtvolle Welt jenen zu beschreiben, die für alle Zeiten unfähig waren, sie kennenzulernen. Für ihn rochen Düfte nicht nur einfach, sie hatten auch Farbe und Geschmack und ein Gefühl, das er deutlich spüren konnte.
Sein Gehör war nur geringfügig schlechter als seine anderen überscharfen Sinne. Nun also, als er an fast derselben Stelle stand, an der vor wenigen Stunden noch Geist gestanden hatte, konnte er, ohne auch nur die Augen zu öffnen, mehr von dem begreifen, was sich hier ereignet hatte, als Ratte oder Karibu mit ihren scharfen Augen und stumpfen Nasen, Zungen und Ohren jemals herausbekommen würden.
Mammut war hier gewesen, vier Tiere: eine Kuh, ein junger Bulle und zwei Kälber aus dem Frühlingswurf - es war ihm ein leichtes, ihre unterschiedlichen Düfte zu unterscheiden. Sie hatten hier Rast gemacht, um zu trinken, Kot auszuscheiden (zwei große Haufen, drei oder vier kleinere), um dann etwa hundert Stocklängen flußaufwärts zu einer seichten Furt zu ziehen, wo sie sich gesuhlt hatten, erneut auf dem anderen Flußufer angehalten hatten und dann weitergezogen waren.
Doch danach war noch etwas anderes hierher gekommen. Der leichte, bittere Geruch lag über allem - nein, das stimmte nicht -, eher zwischen den schweren Duftmarken der Mammuts. Schlange roch Menschen. Aber keine von seinem Volk, und er rümpfte die Nase. Dieser neue Gestank unterschied sich erheblich von den Gerüchen, die er von seinem Volk kannte. Es war anders.
Die Augen immer noch geschlossen, begann er schwach vor Aufregung zu zittern. Der Rauchgeruch, der Geruch nach gegerbtem Leder, Schweißausdünstungen waren den bei seinem Volk üblichen Gerüchen ganz ähnlich und doch fremd. Ein anderer war hier gewesen - und vor nicht allzu langer Zeit. Kurz nachdem Mammut fortgezogen war.
Nachdem er all dies zu seiner Zufriedenheit festgestellt hatte, schlug er die Augen wieder auf. Dann ließ er sich auf Hände und Knie fallen und kroch vorwärts, die Nase dicht am Boden, bis er den Fuß des Abhangs erreichte und den ersten schlammigen, bis zum Rand mit Wasser vollgelaufenen Fußabdruck fand.
Er beugte sich vor, streckte die Zunge heraus und kostete die Feuchtigkeit.
Eine unglaublich große Anzahl von Eindrücken stürmte auf ihn ein. Er würde das seinen Jagdgefährten nie richtig erklären können, aber er kannte diesen anderen. Er war, leicht zitternd, immer noch in dieser Pose erstarrt, als Karibu und Ratte etwas vor den anderen über den niedrigen Kamm der Senke schritten.
Die beiden Jäger blieben stehen, sahen einander an und begaben sich dann hinab.
»Schlange!« rief Ratte. »Was bedeutet das?«
Ratte erreichte das Schlammloch ein paar Schritte früher als Karibu, doch es war der bullige Anführer, der den Steinhaufen als erster erblickte. Er ging um Schlanges kauernde Gestalt herum und näherte sich dem Steinhaufen mit weit aufgerissenen Augen.
Er holte einen seiner Speere vom Rücken und nahm ihn in seine rechte Hand. Unbehaglich schielte er nach rechts und links. Tiere hatten dieses Ding sicher nicht errichtet, und Tiere hatten auch nicht die komplizierten Knoten geknüpft, die das Bündel zusammenhielten, das auf den Steinen lag. Er bewegte sich vorsichtig und langsam, näherte sich der seltsamen Konstruktion mit mehr als nur ein bißchen Furcht.
Er erkannte Zeichen der Magie, wenn er sie vor Augen hatte.
Seit fast zwanzig Jahren hatte das Volk der Bisons nicht mehr den Pfad eines anderen Stammes gekreuzt. Karibu erinnerte sich noch schwach an jenes letzte Zusammentreffen und die Ereignisse, die darauf gefolgt waren. Er war noch zu klein gewesen, um mit den Männern auszuziehen, als sie ihre Speere und Keulen genommen hatten und in die Nacht hinausgeschlichen waren. Gebrochene Faust war damals noch nicht
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