Mayabrut (German Edition)
knisterten. Die Mumifizierungsvorgänge hatten den Körpern fast das gesamte Wasser entzogen und die pergamentartige Haut zerplatzte nun unter ihren Tritten.
Tori stand vor den Tierkadavern und nickte wissend. Als sie die Japanerin erreicht hatten, erklärte sie ihnen, dass es sich um die Körper von Lamas und Hunden handelte, die hier als Opfertiere heruntergeworfen worden waren. Und nach einer Pause ergänzte sie: „Vielleicht hat man diese armen Geschöpfe sogar lebend geopfert? Egal wie, ich glaube, ic h weiß jetzt, wonach wir suchen müssen. Bringt die Behälter mit den Vögeln genau hierher - diesmal müssen wir nicht lange warten.“
Sanft setzten sie die Boxen mit den alkoholisierten Vögeln vor Tori ab. Sofort ermahnte sie Jeff und ihn, sich ja nicht zu verletzen, wenn sie die Tiere freiließen. Jeff regelte das Problem mit einigen Fußtritten, die die Behälter mit den Hühnern umwarfen. Nur die Box mit dem gewichtigen Truthahn mussten sie gemeinsam umkippen. Auf die Fußfesseln hatten die Russen verzichtet, da der Wodka die Beweglichkeit der Vögel einschränkte, und so torkelten die gefiederten Trunkenbolde unsicher auf den Kadavern herum.
Sie gingen zurück und hatten gerade die Plattform erreicht, als der Truthahn wie vom Blitzschlag getroffen umfiel. Ein anderer Vergleich fiel Cara für diesen Blitz-K.O. nicht ein. Selbst nach der Berührung mit einer Starkstromleitung hätte das Tier noch gezuckt oder gezittert, aber hier?
Er blickte zu Tori, die abwesend die Szenerie beobachtete. Plötzlich riss sie die Hand hoch und flüsterte: „Da, schaut doch, wie schnell das geht.“ Und wirklich, die übrigen drei Hühner fielen jetzt eins nach dem anderen wie Dominosteine um und bewegten sich nicht mehr.
Vorsichtig näherten sie sich den bewegungslosen Tieren. Tori hob eines der gelähmten Hühner hoch und strich ihm durch das Gefieder. Auf einmal hielt sie inne und nickte befriedigt. Neugierig traten sie näher.
Plötzlich sahen sie, dass der Truthahn anfing zu zittern. Ein grausiges Déjà-vu flimmerte in Caras Innerem auf. Und wieder verstärkten sich die Zuckungen so extrem, dass sie denen einer Exekution auf dem elektrischen Stuhl glichen. Zitternd erhob sich der Truthahn und wankte. Doch die Hühner erwachten nicht mehr aus ihrer todesähnlichen Starre.
Ohne Widerstand ließ sich der angeschlagene Truthahn in die Plastikbox verfrachteten. Die leblosen Hühner folgten. Tori kritzelte mit einem schwarzen Stift eine Eins auf die Box, in der sich das von ihr untersuchte Huhn befand. Dann fuhren sie mit ihrer gespenstischen Beute nach oben. Er grübelte gerade, was für ein Wesen solche blitzartigen Lähmungen bewirkt haben könnte, als er bemerkte, wie Tori vor sich hinmurmelte: „Bei Gott - wir haben sie!“
Oben angekommen, stellten sie erstaunt fest, dass sie von den Russen nicht mehr so rüde behandelt wurden. Er ahnte den Grund. Mit ihrer mutigen Aktion hatten sie sich den Respekt dieser Raubeine erkämpft. Als Tori die Plattform verließ, traten sie sogar ehrfürchtig beiseite und Gregori half ihr persönlich beim Ablegen des Schutzanzuges.
Die Russen kuschten, als Tori ihnen befahl, die Behälter mit Klebeband abzudichten und in den Kühl-Container zu bringen. Cara sinnierte: in diesem Container wurden bisher nur die Boxen mit den Leichenteilen zwischengelagert, und nun sollte dieser Stahlklotz als eisiger Kerker für den unbekannten Killer dienen.
Cara versuchte vergeblich, Tori über ihren Fang auszufragen, selbst auf Gregoris Fragen reagierte die Japanerin nicht, sie hastete einfach an ihm vorbei. Im Weggehen rief sie den Männern zu, dass sie heute Abend den Täter entlarven werde.
Die Wartezeit nutzte Cara für einen Besuch bei Chola. Als er in die Hütte trat, wurde er Zeuge einer ungewöhnlichen Szene. Chola kniete neben Mutychäk und bettelte, dass sie doch etwas Wasser trinken möge. Wütend stieß die Alte sie weg und Chola schlug mit dem Kopf auf den Boden. Entsetzt half er Chola, sich aufzurichten. Stöhnend erhob sie sich. Über ihrer linken Augenbraue klaffte ein Riss und ein rotes Rinnsal schlängelte sich über ihre Wange.
Schnell nahm er seinen Sommerponcho und drückte ihn sanft auf die Wunde. Chola wollte ihn greifen, sackte aber zusammen. Sie wirkte schwach und übernächtigt. Cara versuchte, sie zum Mitkommen zu überreden, aber sie schüttelte den Kopf und wies auf die liegende Alte. Er versprach Chola, Mutychäk selbst zu pflegen, damit sie sich ausruhen
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