Mayabrut (German Edition)
könnte dort unten im stinkenden Dunkel lauern und ihrer aller Leben bedrohen. Doch jetzt fühlte er sich vollkommen ausgelaugt und unendlich matt.
Doch kurz darauf belebte ihn ein kleines Wunder. Der warme Atem Cholas, der sanfte Begleiter ihrer Liebkosungen, hauchte ihm neue Kraft ein. Ihre Liebe war sein Lebenselixier – war der Sieger über seine Dämonen, ob sie nun Sutin oder Akälajaw hießen. Und trotzdem, dieser Akälajaw wahrte Geheimnisse, die es zu ergründen galt. Er fühlte, dass dieser Mann vielleicht wirklich sehr alt war, wenn auch nicht eintausend Jahre. Mittlerweile war er sich sicher, dass der grün leuchtende Alte etwas wusste, was sie vor einer unbekannten Gefahr retten konnte, vielleicht sogar vor Sutin und seinen Söldnern. Erschöpft schlief Cara ein.
Trotz des Unfalls machte Sutin weiter Druck und drängte Jeff und Tori, die Untersuchungen sofort wieder aufzunehmen. Tori schüttelte zwar anfangs den Kopf, doch am Ende siegte ihre wissenschaftliche Neugier.
Aber fast wäre sie mit Jeff an ihrer Forschergier zugrunde gegangen, denn Tori übersah dabei das winzige Problem des begrenzten Luftvorrates. Nur knapp erreichten sie wieder den Schachtrand und spuckten ihre Mundstücke aus. Dann atmeten sie tief durch und füllten ihre Lungen mit dem ätzenden Gestank. Trotz des folgenden Hustenduetts war ihr Abstieg ein Erfolg. Sie brachten zwei mit Leichenteilen gefüllte Kühlboxen mit. Sofort beschlagnahmte Sutin eine Box und ließ sie ausfliegen. Vorher gab er noch bekannt, dass er von Tori erste Ergebnisse zur Geisterstunde erwarte. Doch die Japanerin fieberte sowieso der Analyse des makabren Inhaltes entgegen.
Kurz vor Mitternacht schlich Cara zum Treffen. Die anderen waren bereits anwesend, als er den Container betrat. Sutin wies mürrisch auf einen Stuhl. Ohne auf die Eröffnungsfloskeln des Russen zu warten, begann Tori mit ihren Ausführungen:
„Señor Sutin, bevor ich meine Resultate darlege, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass ich die Tauchretter für unsere Zwecke nicht nur für ungeeignet halte, sondern sogar für lebensgefährlich.“
Doch bevor sich die Japanerin weiter in Rage reden konnte, warf Sutin ein, dass er dieses Problem erkannt habe. Deshalb würden in den nächsten zwei Tagen fabrikneue Atemschutzgeräte der Feuerwehr von Bogotá eintreffen.
„Señor Sutin, es ist mir stets ein Vergnügen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten“, kam es ein wenig sarkastisch von Tori.
„Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite“, konterte der R usse mit einer angedeuteten Verbeugung und drängte: „Tori, wie viele Leichen könnten dort unten …“, ein Hustenanfall unterbrach ihn.
„Señor Sutin, diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, da ich nicht weiß, wie tief sich diese Gruft ausdehnt. Allein die oberste Ebene ergibt eine Fläche von weit über einhundert Quadratmetern. Da die Leichen durch Mumifizierung geschrumpft sind, ergäbe dies, vorsichtig geschätzt, rund einhundert Körper für die oberste sichtbare Schicht.“
Ein Raunen ging durch den Container und Tori fuhr fort: „Wenn wir jetzt die nebulösen Altersangaben Akälajaws mit einbeziehen, dürften dort Zehntausende von Leichen liegen.“
„Tori, was können Sie uns über deren Zustand sagen?“
„Señor Sutin, so wie bei den Leichenteilen von Akälajaws Lager ist ihre gesamte Oberfläche mit einem Schimmelpilz bedeckt, auf den ich später noch einmal zurückkommen möchte. Die Konsistenz der Oberhaut ist durch Mumifizierungsvorgänge pergamentartig. Das Gewebe darunter enthält kaum noch Spuren von Wasser und ist so trocken, das es bei Druck wie Lehm zerbröselt.“
„Ich würde es mit Treibsand vergleichen“, witzelte Celia.
„Liebe Celia, vielleicht sollte man ja auch nicht völlig pietätlos auf Leichen springen“, spöttelte Tori zurück. „Aber kommen wir zu etwas anderem, zu etwas Lebendigem, kommen wir zu den Bakterien.“
Sie genoss die Enttäuschung der Anwesenden und erläuterte: „Während ich in den von Celia vorgenommenen Abstrichen der Felswand wenigstens noch einen Bakterienstamm, der Ammoniak ausscheidet, fand, war auf den Leichenteilen nichts mehr nachzuweisen. Normalerweise müsste es dort nur so von Verwesungsspezialisten wimmeln, die auch die entsprechenden Gase freisetzen müssten – aber nichts, absolut gar nichts. Allein auf die Anwesenheit von Bakterien bezogen, könnte man dort unten von einer absolut sterilen Atmosphäre sprechen, die jedem OP-Raum Ehre
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