Mayabrut (German Edition)
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„Ajts’ijb.“
Akälajaws Antwort überhörte er, da er die Beschreibung des von Akälajaw markierten Ortes las. Dort stand, dass es sich bei der Sepulturasgruppe um eine große Wohnresidenz handelte, in der vermutlich auch ein Schreiber gewohnt hatte. Er schaute ihn unsicher an und fragte nochmals nach seiner Tätigkeit.
Und ohne zu zögern wiederholte Akälajaw: „Ajts’ijb.“
Auch wenn ihm die Bedeutung des Wortes klar war, schaute er Hilfe suchend zu Chola und die übersetzte eilig: „Schreiber.“
Seine Blicke irrten durch den Raum. Das konnte doch alles nur ein riesiger Bluff, eine gewaltige Show sein, die dieser Sutin hier mit seinem Mimen Akälajaw abzog. Der Alte hatte einfach vorher Sutins Bildband studiert und daraus seine Legende konstruiert; und jetzt spielte er ihm die Rolle des tausendjährigen Methusalems vor.
Und dann grinste er – die beiden hatten sich bei ihrem Spiel einen fatalen Fehler geleistet – einen Fauxpas, der das Ganze als Schwindel entlarvte. Eigentlich hätte es ihm schon in dem Moment auffallen müssen, als dieser Akälajaw behauptete, aus Copán zu stammen, denn im Mayareich Copán sprach man Chorti und nicht Ch`ol. Betroffen schaute er zu Chola, denn auch sie sprach von Anfang an Ch`ol wie ihr angeblicher Peiniger auch. Was lief hier eigentlich ab, war selbst ihre Zuneigung nur gespielt – nur Cholas Rolle, für die sie am Ende bezahlt wurde?
Er spürte, wie sich eisige Klammern um seine Seele schlangen. Es war eigentlich sinnlos weiterzumachen. An den Monitoren würden sich Sutin und die anderen vor Lachen schütteln, wie sich hier der kleine Hobby-Archäologe Cara zum Affen machte.
Nun gut, es war sowieso alles egal, deshalb musste er auch keine Rücksicht mehr nehmen.
„Loty“, Lüge, – dieses Wort schmetterte er in Richtung der heimlichen Beobachter - und dann blickte er zu Chola und schrie es ihr ebenfalls entgegen. Verdutzt schaute sie ihn an und auch Akälajaw hatte ihm ruckartig den Kopf zugewandt. Bevor er noch etwas auf seine Anschuldigung erwidern konnte, setzte er hart nach: „Baki ch’oyol-ety?“ Auf sein „Woher stammst du?“ würde mit Sicherheit abermals der Hinweis auf sein Copáner Haus folgen und dann würde er sowohl mit Akälajaw als auch mit Chola Klartext reden und diese Big- Brother-Farce beenden.
„Ñajty chumul-oñ ya’ tyi …“, flüsterte der Alte.
Ich lebte weit weg, dort …, übersetzte Cara leise und dann sah er, wie Akälajaw den Smaragddolch nahm und mehrere Linien in den Tisch ritzte. Das, was Akälajaw da einkerbte, ähnelte einer primitiven Karte der Halbinsel Yukatan.
Während Akälajaw mit der Dolchspitze auf eine Stelle seiner Karte tippte, die in der Nähe des heutigen Mexiko lag, behauptete er, dass seine Familie aus dieser Gegend stamme. In seiner Heimatstadt sei ausschließlich Ch’ol gesprochen worden, und deshalb sei Ch’ol auch seine Muttersprache, ergänzte er gehetzt. Und genau diese Sprache sollte er die Bewohner des Yäx Tyuñ Tals lehren, so wünschten es die Herren dieses Tals, die Herren der Unterwelt, fügte er hastig hinzu und schwieg.
Und wieder ließ ihn Akälajaws Geschichte verwirrt zurück. In jeder seiner Erzählungen steckte ein wahrer Kern, dessen war er sich sicher. Sei es dieser göttliche Salzwunsch, der zu den Tauschgeschäften mit den Kogui führte, oder der Smaragddolch, der das Menschenblut in einen Göttertrunk veredeln sollte –, es gab immer Beweise für die Richtigkeit von Akälajaws Aussagen.
Und wenn Cara die göttliche Verklärung ausblendete, erwachte er in der Realität des Yäx Tyuñ Tals, in dem man Ch’ol sprach.
Das Rätsel um Akälajaws Alter war ein Nebenschauplatz, man würde es wahrsc heinlich nie lösen. Wozu auch? Wichtig für Cara, wahrscheinlich sogar überlebenswichtig für alle, war die Herkunft der Talbewohner. Es musste irgendeinen geheimen Weg geben, auf dem sie in das Tal hineingelangt waren, entweder über einen schwer zugänglichen Bergpass oder durch einen unterirdischen Gang. Egal, welcher Weg hinein geführt hatte – er würde auch wieder hinausführen!
Cholas Stimme riss ihn aus seinen Grübeleien. Sie übersetzte ihm gerade Akälajaw Erzählung über seine frühen Lebensjahre.
Danach habe ihn sein Vater Ik’Tyuñ, der schwarze Stein, ein reicher Obsidian- und Salzhändler, nach dem Tod seiner Mutter mit auf seine Handelsreisen genommen. Er habe ihm eines Tages auch die hohle Obsidiankugel gegeben, die ihrem Träger
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