Mayabrut (German Edition)
bei dem grünen Kristall bedanken und umarmte ihn.
Plötzlich hörte ich ein Flüstern, das aus dem Kristall kam. Der Stein forderte zum Dank einen Sklaven – einen Sklaven für die Herren der Unterwelt Xibalba - er forderte mich. Aber ich sträubte mich. Meine Weigerung erzürnte den grünen Kristall – böse funkelte er mich an. Dann stürzte er sich auf mich und riss mir den rechten Arm ab. Das Blut schoss aus dem Armstumpf; schreiend wälzte ich mich am Boden und bat um meinen Tod.
Da meldete sich erneut der Geist des Kristalls und forderte mich abermals als Sklaven für die Herren von Xibalba ein. Nun willigte ich ein. Sofort ließ der Schmerz nach und meine Wunde schloss sich. Nach einigen Tagen wuchs auf meiner Haut ein weißer Pelz, sobald diesen aber das Sonnenlicht berührte, verwandelte sich der Flaum in brennende Nesseln. Von diesem Moment an begann für mich das Sklavenleben. Aber eine kleine Hoffnung auf Freiheit hatte mir der Geist des Kristalls gelassen. Wenn es mir gelänge, ein zweites Copán zu errichten, dann würde sein Fluch erlöschen. Und so baute man die Pyramide und den Ballspielplatz. Doch dann suchte eine grausame Seuche das Tal heim …“
An dieser Stelle unterbrach Akälajaw seine Lebensgeschichte und drängte: „Ch’ich’…, Ch’ich’ …“
Mechanisch füllte er Akälajaws Trinkschale mit dem blutigen Trank und reichte sie ihm. In seiner Seele brodelte es. Wie hatte er sich in den letzten Minuten beherrschen müssen, um Akälajaw nicht zu unterbrechen.
Am liebsten hätte er diesen alten Wirrkopf angebrüllt, wo denn dieser ominöse Eingang in das Yäx Tyuñ Tal zu finden sei. Aber er ließ ihn weitererzählen, damit mögliche Mithörer die Brisanz seiner Geschichte erst gar nicht ahnten. Wenn es einen Weg ins Yäx Tyuñ Tal gab, dann führte derselbe Weg auch wieder hinaus – hinaus in die Freiheit. Ihre Rettung war ganz nah – lag praktisch neben ihm – lag bei Akälajaw.
In Akälajaws Geschichte war irgendwo der Schlüssel zu ihrer Flucht verborgen. Nur die Version von einer Zuwanderung durch einen unterirdischen Gang machte Sinn. Denn schon bei ihrem ersten Anflug hatte er erkannt, dass das Yäx Tyuñ Tal von einer unüberwindlichen Mauer steiler Felswände geschützt war, die man ohne alpinistisches Equipment nicht bezwingen konnte. Irgendwo in diesem Tal, vielleicht sogar in dieser Pyramide, musste es einen geheimen Weg in die Außenwelt geben – einen Weg, den nur Akälajaw kannte.
Dessen lautes Rülpsen riss ihn aus seinen Grübeleien. Die Schale war leer und das pulsierende Leuchten seiner zweiten Haut begleitete seinen Verdauungsprozess. Doch bevor er weiter forschen konnte, klapperte der Schlüssel am Gitter und der Wächter trat ein. Er schlenderte zur Überwachungskamera und schraubte sie von der Halterung ab.
Cara fragte ihn auf Englisch, aus welchem Grund er dies tue, worauf der Russe nur mit den Schultern zuckte und mit der Kamera verschwand, ohne die Gittertür wieder abzuschließen. Verwundert sah er dem Wächter hinterher, der Mann lief nicht nur unsicher, er torkelte sogar. Was war hier los?
Panik ergriff ihn. Wenn Sutins Interesse an Akälajaw und dem Tal erloschen war, dann brauchte Sutin keinen von ihnen mehr.
Er sprang auf, verschreckt sah Chola ihn an, selbst Akälajaw zuckte zusammen. Schnell gab er dem Alten noch den Rat, seinen offenen Kerker trotzdem nicht zu verlassen. Nebenbei teilte er Akälajaw mit, dass er ihm das Buch schenke, worauf dieser sich bedankte. Zärtlich strich er mit seiner Hand immer wieder über das Buch. Das grüne Flackern seiner Finger ließ die Maske auf dem Cover zu gespenstischem Leben erwachen.
Er lief mit Chola zum Aufzug, der aber mittlerweile wieder für die Leichentransporte genutzt wurde. Und so stürzte er zu Fuß die Stufen zum Plateau hinauf, wobei Chola ihm mühelos folgte. Oben angekommen, japste er nach Luft. Hier trennte er sich von Chola, die das Essen vorbereiten sollte.
Noch atemlos trat er in den Konferenzcontainer, um Sutin zur Rede zu stellen. Dort fand er aber nur Jeff und Tori vor, die Leichengewebe unter dem Mikroskop untersuchten.
„Wo ist Sutin und wieso bauen sie bei Akälajaw die Kamera ab?“, platzte er in die traute Runde.
„Sutin ist vor einer Stunde abgeflogen, er hat angeblich einen geschäftlichen Termin, jedenfalls behauptete dies Celia. Außerdem hat Sutin sie zu seiner Stellvertreterin bestimmt“, zischte Tori und endete: „Können wir jetzt
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