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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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brauche ich keine Schafe, Schwäne oder Delfine, schon gar nicht, wenn der Jemand groß und warm ist, gut riecht und leise schnarcht, so dass ich weiß, er lebt. Mein Bett ist sehr schmal, und es wäre uns taktlos erschienen, das von Manuel zu benutzen, deshalb häuften wir weitere Decken und Kissen neben den Ofen. Wir kochten, redeten, liebten uns; wir schauten aus dem Fenster, gingen vor an die Klippen, hörten Musik, liebten uns; wir stiegen in die Badetonne, schleppten Brennholz herbei, lasen in Manuels Büchern über Chiloé, liebten uns wieder. Es regnete und lockte einen nicht ins Freie, die Schwermut der Wolken von Chiloé ist wie gemacht für Romantik.
    So allein und ungestört mit Daniel wollte ich die einmalige Gelegenheit nutzen und, von ihm geleitet, alles lernen, was sich den Sinnen an Spielarten bietet, wollte die Lust auskosten, ihn ohne Vorsatz streicheln, Haut an Haut spüren. Mit einem Männerkörper kann man sich jahrelang vergnügen, da gibt es diese entscheidenden Punkte, die man erregen kann, und jene, die eine andere Art der Aufmerksamkeitwünschen, welche, die man berührt, und andere, die man nicht berühren, sondern nur anhauchen muss; jeder Wirbel besitzt seine eigene Geschichte, man kann sich in der Weite der Schultern verlieren, die so gut dafür geeignet sind, Lasten und Kummer zu tragen, und in den harten Muskeln der Arme, die die Welt halten sollen. Und unter der Haut verbergen sich nie ausgesprochene Wünsche, versteckte Traurigkeit, Vernarbungen, die selbst unterm Mikroskop nicht zu sehen sind. Über Küsse sollte es Lehrbücher geben, Spechtküsse, Fischküsse, unendliche Varianten. Die Zunge ist eine kühne und zudringliche Schlange, und damit meine ich nicht, was sie sagt. Herz und Schwanz sind mir am liebsten: ungezähmt, durchschaubar in ihren Absichten, arglos und verletzlich, man darf sie nicht missbrauchen.
    Irgendwann konnte ich Daniel meine Geheimnisse anvertrauen. Ich erzählte ihm von Roy Fedgewick und Brandon Leeman und von den Männern, die ihn umgebracht haben, davon, wie es gewesen ist, Drogen zu verkaufen, und alles zu verlieren und auf der Straße zu sein, was für eine Frau ungleich gefährlicher ist als für einen Mann, weil eine Frau besser die Straßenseite wechselt, wenn ihr in einem menschenleeren Viertel ein Mann entgegenkommt, sie besser schleunigst verschwindet, wenn es mehrere sind, sie aufpassen muss, was hinter ihr und ringsum geschieht, sie sich besser unsichtbar macht. In meinen letzten Wochen in Las Vegas, als ich schon ganz am Boden war, schützte ich mich dadurch, dass ich mich als Junge ausgab; es half, dass ich groß bin, und damals war ich flach wie ein Brett, trug die Haare kurz und Männerkleider von der Heilsarmee. Das hat mir wahrscheinlich mehr als einmal die Haut gerettet. Die Straße ist gnadenlos.
    Ich erzählte ihm von den Vergewaltigungen, die ich mitangesehen habe und von denen bisher nur Mike O’Kelly weiß, dem so schnell nichts auf den Magen schlägt. Beim ersten Mal war es ein besoffener Widerling, ein Kerl wieein Schrank, oder vielleicht wirkte er nur so wegen der vielen Kleider, vielleicht war er darunter ein Knochengestell, jedenfalls fiel er am helllichten Tag in einer Hofeinfahrt voller Müll über ein Mädchen her. Die Küche eines Restaurants ging zu dem Hof, und ich war nicht die Einzige, die in den Mülltonnen nach Essensresten suchte, die man den streunenden Katzen streitig machen konnte. Ratten gab es da auch, man konnte sie hören, aber gesehen habe ich nie welche. Das Mädchen, eine junge Fixerin, hungrig, verdreckt, hätte ich sein können. Der Mann packte sie von hinten, stieß sie mit dem Gesicht aufs Pflaster, in den Dreck und die Pfützen aus fauligem Etwas, und mit einem Messer schlitzte er ihr seitlich die Hose auf. Ich hockte keine drei Meter entfernt zwischen den Mülltonnen, es war purer Zufall, dass es die andere erwischte, dass sie schrie und nicht ich. Sie wehrte sich nicht. In zwei oder drei Minuten war er fertig, schob sich die Lumpen zurecht und ging hustend davon. Während er auf ihr war, hätte ich ihm eine von den Flaschen, die überall herumlagen, über den Schädel ziehen und ihn niederschlagen können, es wäre leicht gewesen, und ich dachte daran, verwarf den Gedanken aber sofort: Es war nicht mein Scheißproblem. Und als er weg war, ging ich nicht zu ihr hin, sie lag da nur und rührte sich nicht, sondern an ihr vorbei und schnell weiter, ohne sie anzusehen.
    Das zweite Mal waren es zwei junge

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