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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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probiert, weil der Boss es mir verboten hatte. Braves Mädchen. Scheiße. Meine Hände gehorchten mir nicht richtig, und ich war wie blind vor Kopfschmerzen, bekam die Kristalle aber irgendwie in die Glaspfeife und hielt das Feuerzeug dran. Eine Titanenaufgabe. Erbittert, wahnsinnig geworden, wartete ich endlose Sekunden, dass die wachsfarbenen Kristalle zu schmelzen begannen, verbrannte mir Finger und Lippen an dem Glaskolben, und endlich brachen sie auf, und ich sog tief die erlösende Wolke ein, das süße Duftgemisch, ein Hauch Menthol und Benzin, und dann waren die Übelkeit und die bösen Vorahnungen verschwunden, und ich im siebten Himmel, leicht, anmutig, ein Vogel im Wind.
    Für einen kurzen Moment fühlte ich mich euphorisch und unbesiegbar, dann stürzte ich mit Getöse zurück ins Halbdunkel des Zimmers. Noch ein Zug und noch einer.Wo war Freddy? Wieso hatte er mich hier sitzen lassen, ohne sich zu verabschieden, ohne ein Wort der Erklärung? Es war noch etwas Geld übrig, und ich ging zögerlich nach draußen, mir eine neue Flasche zu besorgen, danach schloss ich mich wieder in meiner Höhle ein.
    Mit Schnaps und Crack driftete ich zwei Tage dahin, schlief nicht, aß nicht, wusch mich nicht, kotzte mich voll, weil ich es nicht bis ins Bad schaffte. Als die Flasche und das Tütchen nichts mehr hergaben, kippte ich meine Handtasche aus und fand noch ein Briefchen mit Kokain, das ich sofort sniffte, und ein Röhrchen mit drei Schlaftabletten, die ich mir einteilen wollte. Zwei nahm ich gleich, und weil sie kein bisschen wirkten, nahm ich auch die dritte. Ich weiß nicht, ob ich schlief oder bewusstlos war, die Uhr auf dem Nachttisch zeigte Zahlen an, die nichts bedeuteten. Welcher Tag ist heute? Wo bin ich? Keine Ahnung. Ich schlug die Augen auf, bekam keine Luft, mein Herz war eine Zeitbombe, tick-tack-tick-tack, schneller und schneller, Stromschläge durch meinen Körper, krampfen, röcheln, dann Leere.
    Wieder Klopfen an der Tür und drängendes Rufen, diesmal vom Geschäftsführer des Motels. Ich vergrub den Kopf unter den Kissen, flehte um etwas, das mir helfen würde, nur ein Zug noch von dem wohltuenden Rauch, ein Schluck von irgendetwas. Zwei Männer brachen die Tür auf und kamen fluchend und drohend ins Zimmer. Wie erstarrt blieben sie stehen, als sie die verängstigte Irre sahen, die da, völlig außer sich und unverständliches Zeug stammelnd, in einem Zimmer lag, das einem stinkenden Schweinestall glich, aber sie hatten in dieser Absteige schon einiges gesehen und errieten, was mit mir los war. Sie befahlen mir, mich anzuziehen, packten meine Arme, schleiften mich die Treppe hinunter und setzten mich vor die Tür. Was ich an Wertsachen besaß, nahmen sie mir weg, meine Handtasche und die Sonnenbrille, waren aber so freundlich, mirden Führerschein und den Geldbeutel zu lassen mit meinen letzten zwei Dollar und vierzig Cent.
    Draußen war es brütend heiß, und ich spürte den angeschmolzenen Asphalt durch die Sohlen meiner Turnschuhe, aber es kümmerte mich nicht. Mein einziger Gedanke war, dass ich etwas auftreiben musste, um mein Verlangen und meine Angst zu lindern. Ich konnte nirgends hin und hatte niemanden, den ich um Hilfe bitten konnte. Ich erinnerte mich an mein Versprechen, Brandon Leemans Bruder anzurufen, aber das konnte warten, und ich erinnerte mich außerdem an die vielen Schätze, die in der Wohnung lagerten, in der ich in den letzten Monaten gelebt hatte, bergeweise herrliches Pulver, kostbare Kristalle, wunderwirksame Pillen, die ich sortiert, gewogen, gezählt und sorgfältig in Plastiktütchen verpackt hatte. Dort konnte jeder, auch wenn er noch so elend war, ein Stückchen vom Himmel für sich haben, und sei es auch nur für einen Augenblick. In den Höhlengängen der Tiefgarage und den Leichenhallen im Erdgeschoss und ersten Stock würde ich ganz bestimmt etwas kriegen können, ich würde jemanden finden, der mir was gab, das musste doch möglich sein; aber mein Denkvermögen reichte gerade noch, um zu begreifen, dass es Selbstmord gewesen wäre, mich auch nur in der Nähe blicken zu lassen.
    Denk nach, Maya, denk nach, sagte ich mir laut vor, wie ständig in den letzten Monaten. In dieser Scheißstadt gibt es Drogen an jeder Ecke, treib halt was auf, wimmerte ich und schlich weiter vor dem Motel auf und ab wie ein hungriger Kojote, bis die schiere Not die Schleier aus meinem Kopf vertrieb und ich nachdenken konnte.
    Ich ging zu Fuß zu einer Tankstelle, bat um den

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