Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
ist zwischen dem Ehepaar Goodrich und dem polnischen Pianisten; es spielt keine Rolle, es sind drei gute Seelen, die einander wertschätzen und sich um eine Tochter kümmern, sie lieben Musik, Bücher und Theaterbesuche, besitzen einen gut sortierten Weinkeller und teilen sich Hunde und Freunde.
    Frances kann sich nicht selbst die Haare kämmen und die Zähne putzen, aber die Finger bewegen und ihren Computer bedienen, über den sie mit der Uni und der Welt in Kontakt steht. Daniel hat mir ihre Facebookseite gezeigt mit etlichen Fotos von ihr vor und nach dem Unfall: ein Mädchen mit Eichhörnchengesicht, Sommersprossen, roten Haaren, zierlich und fröhlich. Auf ihrer Seite gibt es auch viele Kommentare, Fotos und Filme von Daniels Reise.
    »Frances und ich sind sehr verschieden«, sagte er. »Ich bin eher der ruhige und sesshafte Typ, sie ein Pulverfässchen. Als sie noch klein war, wollte sie immer Entdeckerin werden und ihr Lieblingsbuch war Die Schiffbrüche des Álvar Núñez Cabeza de Vaca von einem spanischen Eroberer aus dem sechzehnten Jahrhundert. Sie wäre gern in die hintersten Winkel der Erde gereist, auf den Grund des Meeres, auf den Mond. Meine Reise durch Südamerika war ihre Idee, sie hatte das vor und konnte es nicht tun. Jetzt seheich mit ihren Augen, höre mit ihren Ohren und filme mit ihrer Kamera.«
    Ich fürchtete und fürchte weiterhin, dass ich Daniel mit dem, was ich ihm anvertraut habe, erschreckt haben könnte und er mich als Wackelkandidatin nicht haben will, aber ich musste ihm alles erzählen, man kann nichts Festes aufbauen auf Lügen und Auslassungen. Blanca habe ich deswegen gelöchert, bis sie es leid wurde, und sie meint, jeder habe das Recht auf seine Geheimnisse und meine Neigung, mich im schlechtesten Licht darzustellen, sei eine Form von Hochmut. Daran habe ich auch schon gedacht. Ob es nicht hochmütig ist, wenn ich von Daniel erwarte, dass er mich trotz meiner Probleme und meiner Vergangenheit liebt. Meine Nini hat einmal gesagt, dass man die eigenen Kinder und Enkel bedingungslos liebt, den Partner aber nicht. Manuel äußert sich nicht dazu, hat mich aber davor gewarnt, mich in jemanden zu verlieben, den ich kaum kenne und der so weit weg wohnt. Was hätte er auch sonst sagen sollen? So ist er: bloß kein emotionales Risiko eingehen, lieber allein bleiben in der heimischen Höhle, wo er sich sicher fühlt.
    Im November letzten Jahres war mein Leben in Las Vegas derart aus dem Ruder gelaufen und ich so krank, dass ich mich an die Einzelheiten kaum noch erinnere. Ich trug Männerklamotten, die Kapuze meiner Jacke tief in der Stirn, den Kopf zwischen den Schultern vergraben, war immer fluchtbereit, sah nie jemandem ins Gesicht. Zum Ausruhen drückte ich mich irgendwo an eine Wand, besser noch in den Winkel zweier Wände, kauerte mich zusammen, hielt eine zerbrochene Flasche in der Hand, die mir zur Verteidigung wenig genutzt hätte. Ich ging zum Essen nicht mehr ins Obdachlosenheim der Frauen, sondern in das der Männer, wartete, bis ich mich als Letzte anstellen konnte, nahm den Teller und schlang das Essen hastig hinunter. Unterden Männern konnte schon ein offener Blick als Angriff verstanden werden, jedes Wort zu viel war gefährlich, hier waren alle anonym, unsichtbar, außer den Alten, die schon ein bisschen tattrig waren und seit Jahren herkamen, die waren hier zu Hause, und niemand legte sich mit ihnen an. Ich ging als einer von vielen drogensüchtigen Jungs durch, die hier angespült wurden. Ich sah so verletzlich aus, dass mich manchmal jemand, dem noch ein Funken Mitgefühl geblieben war, mit einem »Hi, Crackhead« begrüßte. Ich gab keine Antwort, weil meine Stimme mich verraten hätte.
    Derselbe Dealer, bei dem ich Zigaretten gegen Crack tauschen konnte, nahm auch Elektrogeräte, CD- und DVD-Player, iPods, Handys und Computerspiele, aber es war nicht leicht, da ranzukommen. Um etwas dieser Größenordnung zu klauen, muss man dreist und schnell sein, was man von mir nicht behaupten konnte. Freddy hatte mir seine Methode erklärt. Erst muss man dem Laden einen Erkundungsbesuch abstatten, damit man weiß, wo die Ausgänge sind und wo die Kameras hängen; dann wartet man, bis Betrieb im Laden ist und die Angestellten zu tun haben, was vor allem bei Schlussverkäufen, vor Feiertagen und zu Anfang und Mitte des Monats der Fall ist, wenn die Leute Geld bekommen haben. Theoretisch alles gut und schön, aber wenn man dringend was braucht, kann man nicht auf

Weitere Kostenlose Bücher