Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
Beziehung zwischen Patient und Therapeut keinen Sex geben.
    »Dann bitte ich meinen Pop, dass er mir hilft.«
    »Gute Idee.« Und er lachte.
    In der unseligen Zeit in Las Vegas kam mein Pop ein einziges Mal zu mir. Ich hatte für so wenig Geld einen Schuss gekauft, dass ich hätte stutzig werden müssen. Ich wusste von Fixern, die an dem Dreck, mit dem der Stoff verschnitten wird, draufgegangen waren, aber ich brauchte dringend was und konnte nicht widerstehen. Ich sniffte das Zeug in einer ekelhaften öffentlichen Toilette. Dass ich kein Spritzbesteck hatte, hat mich wahrscheinlich gerettet. Kaum hatte ich eingeatmet, fühlte ich etwas wie Huftritte gegen meine Schläfen, mein Herz raste, und im nächsten Moment war mir, als hätte jemand eine schwarze Decke über mich geworfen, ich bekam keine Luft, erstickte. Ich brach auf den vierzig Zentimetern zwischen Klo und Wand zusammen, landete auf benutztem Klopapier, in einer Wolke aus Ammoniak.
    Vage begriff ich, dass es ans Sterben ging, und erschrak überhaupt nicht, sondern empfand große Erleichterung. Ich trieb durch dunkles Wasser, immer tiefer hinab, immer sorgloser, wie in einem Traum, froh, dass ich sanft auf den Boden dieses flüssigen Abgrunds sank und die Scham einEnde hatte, ich gehen konnte, fort auf die andere Seite, raus aus dieser Farce, die mein Leben war, aus meinen Lügen und Rechtfertigungen, aus diesem würdelosen, unehrlichen und feigen Etwas, das ich selber war, diesem Etwas, das meinen Vater, meine Großmutter und den Rest des Universums für die eigene Dummheit verantwortlich machte, eine Jammergestalt, die es mit gerade neunzehn Jahren geschafft hatte, sich alle Wege zu verbauen, und am Ende war, in der Falle saß, verloren, nur noch ein mit Quaddeln und Flöhen bedecktes Knochengestell, eine Elende, die es für einen Schluck Alkohol mit jedem trieb, die eine obdachlose Mutter beklaute; ich wünschte mir nichts, als ein für alle Mal Joe Martin und dem Chinesen zu entkommen, meinem eigenen Körper, meinem beschissenen Leben.
    Da, als ich schon weg war, hörte ich von sehr weit her ein Rufen: »Maya, Maya, atme! Atme! Atme!« Ich zögerte lange, war verwirrt, wollte zurück in die Ohnmacht, keine Entscheidung treffen müssen, mich loslassen und wie ein Pfeil ins Nichts verschwinden, aber diese drängende Stimme, die mich rief, band mich an diese Welt. Atme, Maya! Unwillkürlich öffnete ich den Mund, schluckte Luft und japste. Nach und nach und lähmend langsam kehrte ich aus diesem letzten Traum zurück. Da war niemand bei mir, aber in dem handbreiten Spalt zwischen Klotür und Boden sah ich ein Paar Männerschuhe und erkannte sie. Pop? Bist du das, Pop? Keine Antwort. Die englischen Mokassins standen eine Weile reglos und entfernten sich dann ohne einen Laut. Ich saß da, atmete keuchend, meine Beine schlotterten, gehorchten mir nicht, und ich rief nach ihm: Pop, Pop.
    Daniel wunderte sich kein bisschen darüber, dass mein Großvater zu mir gekommen war, und versuchte auch nicht, mir eine vernünftige Erklärung für das Geschehene zu liefern, wie es die Therapeuten getan hätten, denen ich bisher begegnet war. Er warf mir nicht mal einen spöttischen Blick zu, was Manuel tut, wenn er meint, dass ich esoterisch werde, wie er das nennt. Wie sollte ich nicht in Daniel verliebt sein? Er sieht ja nicht nur gut aus, er ist noch dazu feinfühlig. Vor allem sieht er gut aus. Wie Michelangelos David, nur in einem viel ansprechenderen Farbton. In Florenz kauften meine Großeltern eine Miniatur der Statue. Im Laden wurde ein David mit Feigenblatt angeboten, aber mir gefielen vor allem seine Genitalien gut; an einem echten Mann hatte ich noch nie welche gesehen, ich kannte sie nur aus Pops Anatomiebuch. Wie auch immer, ich schweife ab, also Daniel jedenfalls meint, die Hälfte der Probleme dieser Welt wären gelöst, wenn jeder einen Pop hätte, der ihn bedingungslos liebt, statt eines Überichs, das ständig Forderungen stellt, weil die guten Eigenschaften durch Zuneigung gedeihen.
    Verglichen mit meinem Leben ist das von Daniel ein Spaziergang gewesen, aber auch bei ihm war nicht alles eitel Sonnenschein. Er ist jemand, der ernsthaft seine Vorhaben verfolgt, hat früh gewusst, wo er hinmöchte, und sich nicht treiben lassen wie ich. Der erste Eindruck von ihm ist trügerisch, ein Söhnchen aus reichem Haus, immer mit einem Lächeln auf den Lippen, zufrieden mit sich und der Welt. Diese unbeschwerte Ausstrahlung ist erstaunlich, immerhin muss er in

Weitere Kostenlose Bücher