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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Idealbedingungen warten.
    An dem Tag, als Officer Arana mich aufgriff, hatte ich seit Stunden gelitten wie ein Hund. Ich hatte nichts aufgetrieben und schon seit dem Morgen Krämpfe, zitterte wegen des Entzugs und krümmte mich vor Schmerzen wegen der Blasenentzündung, die schlimmer geworden war und sich nur noch mit Heroin und Schmerzmitteln in Schach halten ließ, die auf dem Schwarzmarkt ein Vermögen kosteten. Ich ertrug es keine Stunde länger und tat genau das Gegenteil dessen, was Freddy mir geraten hatte: Ich ging in meiner Verzweiflung in einen Elektronik-Laden, den ich nichtkannte und bloß deshalb aussuchte, weil kein bewaffneter Wachmann vor der Tür stand wie bei vielen anderen, scherte mich weder um Angestellte noch um Kameras und suchte hektisch nach der Spieleabteilung. Mein Verhalten und mein Aussehen müssen aufgefallen sein. Ich fand die Spiele, nahm ein japanisches Kriegsspiel, das Freddy gefallen hätte, schob es unter mein Hemd und machte, dass ich rauskam. Der Magnetstreifen auf der Verpackung löste den kreischenden Alarm aus, da war ich noch nicht durch die Tür.
    Mit einer Energie, die mich angesichts meines Zustands selbst überraschte, rannte ich los, ehe die Angestellten mich aufhalten konnten. Ich rannte erst mitten auf der Straße, wich den Autos aus, dann weiter auf dem Gehweg, stieß die Leute zur Seite und verscheuchte sie mit obszönen Beschimpfungen, bis ich begriff, dass niemand mir folgte. Keuchend blieb ich stehen, rang nach Luft, als steckte mir ein Messer quer in der Lunge, spürte einen dumpfen Schmerz in der Seite und der Blase, warmen Urin zwischen den Beinen und sank, an meine japanische Beute geklammert, auf den Gehweg.
    Augenblicke später packten mich zwei schwere Hände fest von hinten an den Schultern. Als ich mich umdrehte, begegnete mein Blick zwei hellen Augen in einem sonnengebräunten Gesicht. Ich erkannte Officer Arana nicht sofort, er trug keine Uniform, ich war einer Ohnmacht nah, und vor meinen Augen verschwamm alles. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, ist es ein Wunder, dass Arana mich nicht früher gefunden hat. Die Welt der Bettler, Diebe, Prostituierten und Süchtigen beschränkt sich auf bestimmte Viertel und Straßen, die Polizei kennt sich dort aus und hat ein Auge darauf, genau wie auf die Obdachlosenheime, wo über kurz oder lang jeder auftaucht, der Hunger hat. Ich war zu keiner Gegenwehr fähig, zog das Spiel unter meinem Hemd hervor und gab es ihm.
    Officer Arana half mir auf und musste mich stützen, weil mir die Knie wegsackten. »Komm mit«, sagte er unerwartet freundlich. »Bitte … Nehmen Sie mich nicht fest, bitte   …«, brachte ich stockend heraus. »Nur die Ruhe, ich nehme dich nicht fest.« Er ging mit mir zwanzig Meter weiter ins La Taquería, ein Tex-Mex-Restaurant, wo die Kellner mich erst nicht hineinlassen wollten, als sie sahen, in welchem Zustand ich war, mich dann aber durchwinkten, weil Arana ihnen seine Marke zeigte. Mit dem Gesicht in den Händen sackte ich auf einem Stuhl zusammen, wurde von unkontrollierbaren Zuckungen geschüttelt.
    Keine Ahnung, wie Arana mich erkannt hat. Er hatte mich nur wenige Male gesehen, und was ihm da jetzt gegenübersaß, erinnerte nicht entfernt an das gesunde Mädchen mit dem platinblonden federzarten Haar und den modischen Klamotten, als das er mich kennengelernt hatte. Er merkte sofort, dass es nicht Essen war, was ich am nötigsten brauchte, half mir wie einer Invaliden auf und brachte mich zu den Toiletten. Er versicherte sich, dass wir allein waren, drückte mir etwas in die Hand, schob mich sanft nach drinnen und blieb selbst als Aufpasser vor der Tür. Weißes Pulver. Ich putzte mir die Nase mit Klopapier, gierig, hastig, und schniefte das Zeug, das mir wie eine kühle Klinge in die Stirn drang. Im nächsten Moment durchflutete mich diese grenzenlose Erleichterung, die jeder Junkie kennt, ich hörte auf zu zittern und zu wimmern, bekam einen klaren Kopf.
    Am Waschbecken machte ich mir das Gesicht nass und versuchte mit den Fingern meine Haare ein bisschen zu kämmen, erkannte mich selbst nicht wieder in diesem Kadaver mit den geröteten Augen und den fettigen, zweifarbigen Strähnen. Ich konnte meinen eigenen Gestank nicht ertragen, aber mich zu waschen war sinnlos, wenn ich nicht auch was anderes anziehen konnte. Vor der Tür stand Arana mit verschränkten Armen gegen die Wand gelehnt und wartete. »Ich habe immer was dabei für Notfälle wiediesen.« Und er lächelte mich an mit

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