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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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ich sollte ihn darauf hinweisen, dass er seine Zeit verschwendete, weil mein Großvater nicht an Gott glaubte. »Bist du dir da so sicher?«, sagte er. »Paul hat sein Leben lang den Himmel mit seinem Teleskop angeschaut. Wie soll er da Gott nicht wahrgenommen haben?« Aber er versuchte nicht, die Seele meines Großvaters gegen seinen Willen zu retten. Als der Arzt Morphium verschrieb und Carolyn uns zu verstehen gab, wir könnten so viel haben, wie wir brauchten, da der Kranke ein Recht habe, ohne Schmerzen und in Würde zu sterben, verzichtete O’Kelly darauf, uns die Sterbehilfe auszureden.
    Unvermeidlich kam der Moment, da die Kräfte meines Großvaters erschöpft waren, und wir mussten den Strom der Studenten und Freunde kappen, die sich bei uns die Klinke in die Hand gaben. Meinem Pop ist sein Aussehen nie gleichgültig gewesen und war es auch jetzt nicht, obwohl er so schwach war und nur wir ihn sahen. Er bat uns, ihn zu waschen und zu rasieren und das Zimmer gut zu lüften, weil er fürchtete, das Elend seiner Krankheit könnte uns abstoßen. Seine Augen waren glanzlos und in die Höhlen gesunken, die Hände wie Vogelfüße, die Lippen wund, die Haut hing ihm, von Blutergüssen übersät, von den Knochen; mein Großvater war zu einem dürren, verkohlten Baum geworden, aber noch konnte er Musik hören und sich erinnern. »Macht das Fenster auf und lasst die Freude herein«, bat er uns. Manchmal war er so weit weg, dass er kaum sprechen konnte, aber es gab auch bessere Momente, dann richtete ich die Rückenlehne seines Bettes auf, damit er sitzen konnte, und wir unterhielten uns. Er wollte mich an seinen Erfahrungen und seinem Wissen teilhaben lassen, ehe er ging. Bis zum Schluss war er bei Verstand.
    »Hast du Angst, Pop?«, fragte ich ihn.
    »Nein, aber Kummer, Maya. Ich würde gern noch zwanzig Jahre mit euch leben.«
    »Was ist wohl auf der anderen Seite? Glaubst du, es gibt ein Leben nach dem Tod?«
    »Schon möglich, aber bewiesen ist es nicht.«
    »Dass es deinen Planeten gibt, ist auch nicht bewiesen, und du glaubst trotzdem an ihn«, hielt ich ihm entgegen, und er lachte zufrieden.
    »Da hast du recht, Maya. Es wäre absurd, nur zu glauben, was sich beweisen lässt.«
    »Weißt du noch, wie du mich ins Observatorium mitgenommen hast, um diesen Kometen anzusehen, Pop? In der Nacht habe ich Gott gesehen. Es war Neumond, der Himmel pechschwarz und über und über funkelnd, und als ich durchs Teleskop schaute, sah ich ganz deutlich den Schweif des Kometen.«
    »Trockeneis, Ammoniak, Methan, Eisen, Magnesium und …«
    »Es war ein Brautschleier, und dahinter war Gott«, beharrte ich.
    »Wie war er?«
    »Wie ein leuchtendes Spinnennetz. Alles, was es gibt, ist durch die Fäden des Netzes miteinander verbunden. Ich kann’s dir nicht erklären. Wenn du stirbst, dann fliegst du davon wie ein Komet, und ich halte mich an deinem Kometenschweif fest.«
    »Wir werden zu Sternenstaub.«
    »Ach, Pop.«
    »Wein doch nicht, mein Kind, sonst muss ich auch weinen, und dann fängt deine Nini an und weint, und wir können nie mehr damit aufhören.«
    In seinen letzten Tagen konnte er nur noch ein paar Löffelchen Joghurt und etwas Wasser zu sich nehmen. Er sprach fast nicht, klagte auch nicht; er trieb über Stunden im Morphiumdämmer, hielt die Hand seiner Frau oder meine umfasst. Er wusste wohl nicht mehr, wo er war, doch wusste er noch, dass er uns liebte. Meine Nini erzählte ihm weiterGeschichten bis zum Schluss, als er ihnen schon nicht mehr folgen konnte und nur noch der Klang ihrer Stimme ihn wiegte. Sie erzählte ihm von zwei Liebenden, die durch die Zeitalter immer wiedergeboren wurden, Fährnisse überstanden, starben und sich im nächsten Leben wieder fanden, immer zusammen.
    Ich sprach in der Küche, im Bad, auf dem Turm, im Garten, überall, wo ich mich verkriechen konnte, erfundene Gebete vor mich hin und bat den Gott von Mike O’Kelly, er möge sich unserer erbarmen, aber er blieb fern und stumm. Ich bekam am ganzen Körper Quaddeln, die Haare gingen mir aus, und ich kaute meine Nägel ab, bis Blut kam; meine Nini umwickelte mir die Finger mit Klebeband und zwang mich, mit Handschuhen zu schlafen. Ich konnte mir ein Leben ohne meinen Großvater nicht vorstellen, sein langsames Siechen aber auch nicht ertragen, und betete am Ende darum, er möge bald sterben und nicht mehr leiden. Hätte er mich darum gebeten, ich hätte ihm mehr Morphium gegeben und ihm beim Sterben geholfen, es wäre einfach gewesen,

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