Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)
abnehmen, ehe sie sie verkaufte, was Brandon sie sehr teuer hätte bezahlen lassen. Einmal kam Margaret völlig fertig zu Leemans Wohnung, und weil sie niemanden antraf, der ihr half, schnitt sie sich mit einer Glasscherbe die Pulsadern auf. Freddy fand sie in einer Blutlache im Flur, schaffte sieirgendwie nach draußen, legte sie eine Straße weiter ab und rief einen Rettungswagen. Als der kam, lebte sie noch, aber wir erfuhren nie, was mit ihr geschehen war, und sahen sie nicht wieder.
Und wie könnte ich Freddy vergessen? Ich verdanke ihm mein Leben. Ich gewann ihn lieb wie einen kleinen Bruder, er war ein Kind, das nicht stillsitzen konnte, spindeldürr, winzig, mit glasigen Augen, Rotznase, nach außen hin hart und innen sanft, konnte noch lachen und sich beim Fernsehen an meine Seite kuscheln. Ich gab ihm Vitamine und Kalzium, damit er wuchs, und kaufte zwei Töpfe und ein Kochbuch, um die Küche einzuweihen, aber was ich kochte, wanderte unangetastet in den Müll; Freddy nahm zwei Bissen, dann verging ihm der Appetit. Manchmal war er so krank, dass er nicht von der Matratze aufstehen konnte, dann wieder verschwand er tagelang ohne jede Erklärung. Brandon Leeman versorgte ihn mit Drogen, Alkohol, Zigaretten, mit allem, was er wollte. »Siehst du nicht, dass du ihn umbringst?«, warf ich ihm vor. »Keine Sorge, Laura, ich bin schon tot«, mischte Freddy sich fröhlich ein. Er nahm, was die Welt an giftigen Substanzen zu bieten hat, sagenhaft, wie viel Dreck dieses Kind schlucken, rauchen, schniefen und spritzen konnte! Er war wirklich schon halb tot, aber er hatte Musik im Blut, konnte eine Bierdose in ein Drumset verwandeln und endlos rappen; er träumte davon, dass ihn jemand entdeckte, er einen kometenhaften Aufstieg hinlegte und ein Star würde wie Michael Jackson. »Wir gehen zusammen nach Kalifornien, Freddy. Dort fängst du ein neues Leben an. Mike O’Kelly hilft dir, der hat schon Hunderte von Jungs aus dem Dreck geholt, einige davon übler am Arsch als du, wenn du die jetzt sehen könntest, du würdest es nicht glauben. Meine Großmutter kann dir auch helfen, sie ist gut in so was. Du kannst bei uns wohnen, was meinst du?«
Eines Abends, als ich in einem überladenen Salon des Caesar’s Palace zwischen römischen Statuen und Brunnen auf einen Kunden wartete, sah ich Officer Arana wieder. Ich wollte mich schon verdrücken, aber er hatte mich entdeckt, kam lächelnd, mit ausgestreckter Hand an meinen Tisch und fragte nach meinem Onkel. »Mein Onkel?« Ich sah ihn verwirrt an, dann fiel mir wieder ein, dass Brandon Leeman mich bei unserer ersten Begegnung im McDonald’s als seine Nichte aus Arizona vorgestellt hatte. Unruhig, weil ich die Ware in der Handtasche hatte, fing ich an Erklärungen zu stammeln, um die er mich nicht gebeten hatte.
»Ich bin nur den Sommer über hier, ich gehe bald aufs College.«
»Auf welches?« Arana setzte sich neben mich.
»Weiß ich noch nicht …«
»Du siehst aus wie eine, die es zu was bringen kann, dein Onkel ist bestimmt stolz auf dich. Entschuldige, wie heißt du noch mal …«
»Laura. Laura Barron.«
»Freut mich, dass du studieren gehst, Laura. In meinem Job sehe ich öfter tragische Fälle, junge Leute, die viel aus sich machen könnten, aber komplett abdriften. Möchtest du was trinken?« Und ehe ich ablehnen konnte, hatte er schon bei einer Kellnerin in römischer Tunika einen Fruchtcocktail für mich bestellt. »Ich würde dir ja gern mit einem Bier Gesellschaft leisten, geht aber leider nicht, ich bin im Dienst.«
»Hier im Hotel?«
»Das gehört mit zu meiner Runde.«
Er erzählte mir, das Caesar’s Palace habe in seinen fünf Türmen über dreitausenddreihundert Zimmer und einige davon seien fast hundert Quadratmeter groß, dazu neun schicke Restaurants, eine Mall mit Luxusläden und einen Theatersaal im Stil des Kolosseums von Rom mit mehr als viertausend Sitzplätzen, in dem große Stars auftraten. Obich den Cirque du Soleil schon gesehen hätte? Nein? Ich solle meinen Onkel bitten, mit mir hinzugehen, die Show sei das Beste, was Las Vegas zu bieten habe. Die falsche Vestalin kam bald wieder und brachte mir ein grünliches, von einem Ananaskunstwerk gekröntes Getränk. Ich zählte die Minuten, weil draußen Joe Martin und der Chinese mit der Uhr in der Hand auf mich warteten und mein Kunde hier drin irgendwo zwischen den Säulen und Spiegeln herumtigerte und nicht ahnte, dass seine Kontaktperson das Mädchen im trauten Gespräch mit dem
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