Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
aber die Pflanzen sind mir nicht aufgefallen. Wie Blanca und Manuel, die beiden Grauschöpfe, da saßen und die Wasserpfeife rumreichten, war jedenfalls der Hammer. Ich rauchte mit, ich weiß, ich kann das tun, ohne dass ich drauf hängenbleibe, aber an Alkohol wage ich mich noch nicht wieder ran. Noch nicht, vielleicht nie mehr.
    Ich musste Manuel und Blanca nicht sagen, wie Daniel auf mich gewirkt hat; sie errieten es, sobald sie mich im Kleid und geschminkt sahen, schließlich laufe ich sonst eher abgerissen herum. Blanca, die alte Romantikerin, wird uns goldene Brücken bauen, denn wir haben nicht viel Zeit. Manuel dagegen spielt den Miesepeter.
    »Bevor du vor Liebe vergehst, findest du besser heraus, ob das Objekt deiner Begierde vom selben Leiden befallen ist, Maya, nicht dass er weiterzieht und dich sitzen lässt«, riet er mir.
    »Bei so viel Vorsicht würde sich kein Mensch verlieben, Manuel. Bist du etwa eifersüchtig?«
    »Im Gegenteil, Maya, ich mache mir Hoffnungen. Vielleicht nimmt Daniel dich ja mit nach Seattle; die ideale Stadt, um sich vorm FBI und dem organisierten Verbrechen zu verstecken.«
    »Du wirfst mich raus!«
    »Aber nicht doch, Kindchen, wie sollte ich dich rauswerfen, wo du der Sonnenschein meiner trüben alten Tage bist«, sagte er in diesem sarkastischen Ton, der mich aufdie Palme bringt. »Ich mache mir nur Sorgen, dass du mit dieser Liebesgeschichte auf die Nase fällst. Hat Daniel dir seine Gefühle irgendwie angedeutet?«
    »Noch nicht, aber das wird er.«
    »Du scheinst dir ja sehr sicher.«
    »So eine Liebe auf den ersten Blick kann unmöglich einseitig sein, Manuel.«
    »Nein, natürlich nicht, es ist ja die Begegnung zweier Seelen …«
    »Genau, aber du hast das nie erlebt, deshalb machst du dich lustig.«
    »Red nicht über Dinge, von denen du keine Ahnung hast, Maya.«
    »Du bist es doch, der über Dinge redet, von denen er keine Ahnung hat!«
    Daniel ist der erste Amerikaner in meinem Alter, den ich getroffen habe, seit ich in Chiloé bin, und der einzig interessante, seit ich denken kann; die Kinder an der Highschool, die Neurotiker in Oregon und die Loser in Las Vegas zählen nicht. Wir sind nicht wirklich gleich alt, ich bin acht Jahre jünger, habe allerdings ein Jahrhundert mehr auf dem Buckel und könnte ihm einiges beibringen. In seiner Nähe habe ich mich von Anfang an wohlgefühlt; wir mögen ähnliche Bücher, Filme, Musik, lachen über die gleichen Sachen und kennen zusammen ungefähr hundert Irren-Witze: Die Hälfte hat er am College gelernt, die andere Hälfte ich im Internat. Ansonsten sind wir sehr verschieden.
    Daniel ist eine Woche nach seiner Geburt von einem weißen Ehepaar adoptiert worden, gutsituierte, liberale und gebildete Leute, die geschützt unter dem weiten Schirm der Normalität leben. Er war ein passabler Schüler und guter Sportler, hat ein geordnetes Leben geführt und kann seine Zukunft planen mit der irrationalen Zuversicht eines Menschen, dem es nie dreckig gegangen ist. Er ist gesund, selbstsicher, umgänglich und locker drauf; ohne seine Wissbegierde wäre er schwer auszuhalten. Aber er reist, um etwas mitzukriegen, deshalb ist er nicht bloß ein Tourist wie jeder andere. Weil er in die Fußstapfen seines Adoptivvaters treten wollte, hat er Medizin studiert, seine praktische Ausbildung mit Schwerpunkt Psychiatrie Mitte letzten Jahres abgeschlossen, und wenn er nach Seattle zurückkommt, hat er eine Stelle an der privaten Entzugsklinik seines Vaters sicher. Ironie des Schicksals, ich könnte seine Patientin sein.
    Daniels naturgegebenes Glück, das so wenig betont werden muss wie das Glück der Katzen, macht mich neidisch. Auf seinem Weg durch Lateinamerika ist er mit den unterschiedlichsten Leuten zusammengetroffen: mit Geldsäcken in Acapulco, Fischern in der Karibik, Flößern auf dem Amazonas, Kokabauern in Bolivien, Hochlandindianern in Peru und auch mit Bandenkids, Zuhältern, Drogenhändlern, Kriminellen, korrupten Polizisten und Militärs. Er ist von einem Abenteuer ins nächste gesegelt und dabei heil geblieben. Bei mir hat dagegen alles, was ich erlebt habe, zu Schürfwunden und Prellungen geführt und Narben hinterlassen. Daniel ist ein Glückskind, ich hoffe, das wird nicht zum Problem zwischen uns. Die erste Nacht hat er bei Tía Blanca auf Leinenlaken unter Daunendecken geschlafen, so fein geht es bei ihr zu, aber dann ist er zu uns gekommen, weil sie einen Vorwand fand, um nach Castro zu fahren und ihren Gast in meine

Weitere Kostenlose Bücher