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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Knistern der brennenden Scheite, den Schrei der Eule auf dem Baum vor meinem Fenster, das nahe Atmen von Manuel, der einschläft, sobald er den Kopf aufs Kissen legt, und Fákins sanftes Schnarchen. Ich musste daran denken, dass ich mit meinen fast zwanzig Jahren nur Daniel verliebt angesehen habe.
    Blanca hat auf Daniel eingeredet, er solle noch eine Woche in Chiloé bleiben, dann könne er ein paar abgelegenere Dörfer besuchen, Wanderungen durch die Wälder unternehmen und die Vulkane sehen. Danach kann er im Privatjet nach Patagonien fliegen mit einem Freund ihres Vaters, einem Multimillionär, dem halb Chiloé gehört und der zu den Präsidentschaftswahlen im Dezember kandidieren will, aber ich möchte, dass Daniel hier bei mir bleibt, er ist schon genug herumgezogen. Er muss nicht nach Patagonien und Brasilien, er kann im Juni auch von hier aus nach Seattle fliegen.
    Niemand kann mehr als ein paar Tage auf der Insel sein, ohne dass die Leute es mitbekommen, und mittlerweile wissen alle, wer Daniel Goodrich ist. Die Leute im Dorf sind besonders lieb zu ihm, weil sie ihn exotisch finden, sich freuen, dass er Spanisch spricht, und weil sie denken, wir wären ein Paar (schön wär’s!). Außerdem hat es Eindruck auf sie gemacht, wie er sich bei der Sache mit Azucena Corrales verhalten hat.
    Wir hatten uns warm angezogen, denn es ist ja schon Ende Mai, und waren mit dem Kajak raus zur Höhle der Pincoya gefahren, ohne zu ahnen, was uns bei der Rückkehr erwartete. Der Himmel war wolkenlos, das Meer ruhig und die Luft schneidend kalt. Zu der Höhle nehme ich einen anderen Weg als die Touristenboote, er ist etwas riskanter wegen der Klippen, aber ich mag ihn lieber, weil man bei den Seelöwen vorbeikommt. Das ist eine spirituelle Übung für mich, anders kann man das nicht nennen, ich gerate nämlich in eine Art mystische Verzückung, wenn ich die steifen Barthaare von Pincoya sehe, wie ich das Seelöwenweibchen getauft habe, mit dem ich befreundet bin. Auf den Felsen gibt es ein bedrohliches Männchen, dem ich nicht zu nah kommen darf, und etwa acht bis zehn Muttertiere mit ihren Jungen, die sich dort sonnen und zusammen mit ein paar Ottern im Wasser spielen. Als ich das erste Mal dort war, ließ ich den Kajak treiben, ohne nah heranzufahren, und rührte mich nicht, weil ich hoffte, die Otter aus der Nähe sehen zu können, und nach kurzer Zeit begann eins von den Seelöwenweibchen meinen Kajak zu umkreisen. An Land sind die Seelöwen unbeholfen, im Wasser aber sehr anmutig und schnell. Das Tier schoss wie ein Torpedo unter meinem Boot hindurch und tauchte dann wieder auf mit seinem Freibeuterbart und den schwarzen, neugierigen Knopfaugen. Die Pincoya stupste meine Nussschale mit der Nase an, als wüsste sie, dass es ihr ein Leichtes wäre, mich auf dem Meeresgrund zu versenken, aber sie wirkte, als wollte sie nur spielen. Nach und nach lernten wir uns kennen. Ich fuhr sie öfter besuchen, und bald schwamm sie mir entgegen, sobald sie meinen Kajak sah. Sie reibt ihren Bürstenschnurrbart mit Vorliebe an meinem nackten Arm.
    Diese Momente mit der Pincoya sind mir heilig, ich empfinde eine grenzenlose Zuneigung zu ihr und würde mich am liebsten kopfüber ins Wasser stürzen und mit ihr herumtoben. Einen größeren Liebesbeweis, als ihn zu derHöhle mitzunehmen, hätte ich Daniel nicht machen können. Die Pincoya sonnte sich gerade, glitt ins Wasser, sobald sie mich sah, schwamm mir entgegen, hielt dann aber Abstand, beäugte Daniel und kehrte schließlich zurück auf die Felsen, eingeschnappt, weil ich einen Fremden mitgebracht hatte. Ich werde lange brauchen, ihr Vertrauen zurückzugewinnen.
    Als wir gegen eins zum Dorf zurückkamen, warteten Juanito und Pedro aufgeregt am Anleger und berichteten, Azucena habe beim Putzen bei Manuel eine schlimme Blutung bekommen, Manuel habe sie in einer Blutlache gefunden, über Handy die Polizisten verständigt und die hätten sie mit dem Jeep abgeholt. Jetzt sei sie auf der Wache, sagte Juanito, und würde auf das Boot der Ambulanz warten.
    Die Polizisten hatten Azucena auf die Pritsche in der Frauenzelle gelegt, und Humilde Garay kühlte ihr die Stirn mit feuchten Umschlägen, weil er sonst nichts tun konnte, während Laurencio Cárcamo mit dem Kommissariat in Dalcahue telefonierte und um Anweisungen bat. Daniel wies sich als Arzt aus, schickte uns aus der Zelle, und untersuchte Azucena. Nach zehn Minuten kam er heraus und sagte, das Mädchen sei schwanger. Ungefähr im

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