mayday mayday ... eastern wings 610
so viel, um auf Rebner einzugehen.
»Sie haben natürlich recht, Señor. Ich wollte Sie nur daran erinnern, daß es nicht so einfach ist, sich die Ereignisse alle wieder ins Gedächtnis zu rufen. Der Streß war unglaublich. Und was meinen Kollegen Ferrer angeht – er saß bereits sechs Stunden auf seinem Platz.«
Rebner richtete sich steil auf.
»Moment«, kam ihm Vidal zuvor, »es ist mir vollkommen bewußt, daß das gegen die Bestimmungen verstößt. Ich muß die Verantwortung dafür übernehmen. Aber wir hatten keine andere Wahl. Einer unserer Leute war bereits wegen Überforderung ausgefallen und eine andere Ablösung heranzuschaffen war unmöglich, denn die Straßen und die ganze Stadt standen ja unter Wasser.«
»Und?«
»Und unter solchen Bedingungen kann eine Fehlentscheidung erfolgen. Ich sage kann.«
»Wollen Sie dazu nicht einmal Herrn Ferrer seine Meinung äußern lassen?«
»Toni, wie war das? Erkläre es.« Vidals Satz fiel auf spanisch. Er war aufgestanden und hinter Toni Ferrers Stuhl getreten. So wie damals, dachte Vidal plötzlich. Genauso. Wie war das? Hast du den Satz gehört, mit dem Toni den Airbus in die Intersection schickte?
Nein, dachte Vidal. Du hast nicht. Du hast ihm die Rollfreigabe gegeben, damit die Maschinen bis zum Pistenanfang aufrücken konnten. Und dann – Herrgott, was war dann? Ich werde Gil Bonet fragen, Tonis Assistenten. Aber Toni?
»Toni …«
Toni drehte ihm das Gesicht zu. Es wirkte bleich, eingefallen, über den Lippen lag ein bläulicher Schimmer. Er muß zum Arzt, dachte Vidal, das hier steht er nicht durch.
Tonis Lippen bewegten sich. »Ich weiß doch nicht … Ich, ich, ich … ich kann nicht mehr.« Seine Wimpern zitterten. Die Stirn wurde fahl.
»Toni, geh nach Hause. Bitte! Leg dich hin. Ich ruf dich an. Geh jetzt!«
Toni Ferrer stand auf. Vidal nahm das Päckchen Pall Mall, das vor ihm gelegen hatte, und steckte es ihm in die Tasche. Die Packung war nicht angebrochen.
»Was soll denn das jetzt wieder?«
Pep Vidal funkelte Rebner mit seinen tiefschwarzen Augen an. »Das heißt, daß mein Kollege im Moment nicht vernehmungsfähig ist. So heißt es doch, nicht wahr? So heißt es bei Polizeivernehmungen. Aber das ist ja schließlich keine. Oder täusche ich mich da?«
Rebner schwieg. Vielleicht hatte er den Satz auch gar nicht verstanden. Eines aber begriff er: Hier war nichts zu machen.
Vidal begleitete seinen Untergebenen zur Tür. Und auf dem ganzen Weg hatte er die Hand auf seine Schulter gelegt.
Brückner beobachtete es. Er wartete, bis Vidal wieder Platz genommen hatte. Dann sagte er: »Was immer auch geschehen ist und Kapitän Landau an Anweisungen bekam, wir werden es erfahren, wenn der Flugschreiber des Airbusses geborgen ist.«
Der Bau war gewaltig. Seine Dimensionen reichten aus, um zwei Linienjets unterzubringen. Und er war so häßlich wie alle Hangars dieser Welt. Eine weißgraue Schuhschachtel. Grau die Wellblechrolltüren, weiß oder ehemals weiß der Anstrich.
Brückner ging langsam. Ihm war, als würden sich seine Beine gegen jeden weiteren Schritt wehren.
Die eine der beiden Hangartüren war geschlossen, die andere stand einen Spalt offen. Davor gruppierten sich Fahrzeuge, Landrover, LKWs und Krankenwagen. Sehr viele Krankenwagen. Und diese schwarzen chromfunkelnden Bestatterlimousinen, die selbst wie Särge aussahen.
»Den Papierkrieg, den wir hier führen müssen, diesen ganzen spanischen Formalitätenkram können Sie sich gar nicht vorstellen«, sagte der junge Mann an Brückners Seite. Er hieß Petersen. Fred Petersen. Rönig, der Leiter der Lufthansa-Vertretung, hatte ihn Brückner als Begleiter mitgegeben. Petersen war blond, blauäugig, braungebrannt. Er sah aus wie das blühende Leben. »Dann das Identifizierungsproblem. Dafür haben sie sogar Ärzte aus Barcelona geholt. Die Pathologen auf der Insel reichen für so was ja nicht aus. Na ja, und der Rücktransport! Wir sind immer noch am Rechnen. Die Särge nehmen 'ne Menge Platz ein. Keiner konnte mir bisher sagen, ob eine 747 für so viele Tote reicht.«
Wann hört der bloß auf? Was willst du hier? Brückner beschleunigte seinen Schritt. Die Stimme des jungen Petersen wurde er nicht los.
»Vielleicht ist die Frage geschmacklos, Herr Brückner, ich meine angesichts der Tragödie. Aber sie stellt sich nun mal. Ich meine, was wollen die denn hier noch identifizieren? Sie können sich ja gar nicht vorstellen, was so ein Feuer anstellt.«
Es reichte. Brückner blieb
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