mayday mayday ... eastern wings 610
Landungen und Starts durchzuführen, und natürlich die Frage: Wie konnte es geschehen, daß der Schweizer Pilot trotz der Instrumentenlandung von der Anfluglinie abgekommen war und in den Airbus krachte? Aber was zum Teufel hatte der Airbus in diesem Abrollweg zu suchen?
Und dann der Schweizer Pilot?
Ein Mann namens Stutz. Walter Stutz. Siebenundvierzig Jahre alt. Du bist jetzt sechsundvierzig. Zwanzig Jahre Lufterfahrung? – Du hast ein Jahr mehr. Fünfzehntausend Flugstunden, dabei schlägt er dich. Ein Ex-Swissair-Kapitän? – Wieso heuerte er dann in einem so exotischen Laden wie diesem Falcon Air an? Was bedeutet das? Wahrscheinlich gar nichts. Vielleicht war er zeitweilig aus der Fliegerei ausgestiegen, war mal krank gewesen, hatte Krach mit der Swissair-Leitung – na und? Immerhin war er Chef der Swissair-DC-9-Flotte gewesen. Ein Mann wie du also, ein Vollprofi.
Dort unten schimmerten Felder, erstreckten sich rostrote Äcker und dunkelgrüne Pinienhaine. Sah alles so friedlich aus. Nicht überall. Er sah Seen, wo er keine kannte. Große Seen – Überschwemmungen.
Der Purser betete seinen Spruch herunter von der bevorstehenden Landung und wies die Passagiere an, in den Sitzen zu bleiben, bis die Maschine ausgerollt war. In seinen Ohren knackte es. Er schloß die Augen:
Du hast sie in den Tod getrieben! Du – Du allein. Du bist schuld …
Und es war nicht nur die Stimme Christas, es war auch die eigene, diese andere in seinem Herzen, die es immer wieder sagte. Immer wieder. Erbarmungslos.
Die Straße nach Inca. Die Windmühlen, die Autobahn, die Wohnblöcke am Stadtrand.
Er schloß die Augen. Aber das war keine Lösung. Die eine der beiden Pisten war am Unglückstag geschlossen gewesen. Die 24-R, die ohnehin fast ausschließlich gebraucht wurde, kannte er wie die auf seinem Heimatflughafen Frankfurt. Die Augen – du kannst, du darfst sie nicht geschlossen halten, auch wenn alles in dir es verlangt. Sieh hin! Zwing dich!
Ja, dort. Eine graue Fläche. Sie hatten eine Art Baugerüst um die Trümmer der beiden Maschinen errichtet, eine Sichtblende aus Rohren und grauem Segeltuch. Über den Rand des Segeltuchs ragte der gelbe Arm eines Krans.
Sein Herz krampfte sich zusammen.
Sie setzten auf.
Er ließ sich sofort ins Hotel fahren, stand lange auf dem Balkon, blickte über die Bucht von Palma und versuchte, das große graue Gerüst mit dem grauen Tuch zu vergessen und sich auf das zu konzentrieren, was ihn morgen am Flughafen erwartete. Umsonst.
19. September , Flughafen Son San Juán , Ortszeit: 10 Uhr
Der Raum befand sich am Ende der Abflughalle A. Er war spartanisch. Man konnte ihn über eine kleine Treppe erreichen, die zu einer Galerie führte. Die Galerie öffnete sich wiederum zu einem Korridor, in dem auch die Büros verschiedener Luftfahrtgesellschaften untergebracht waren. In der Mitte des Raums stand ein Tisch. Um ihn herum einfache Holzstühle. Fenster gab es nicht. Licht spendete eine Neonleuchtwaffel an der Decke. Mit der Klimaanlage schien es nicht zu klappen. Es war drückend heiß.
Schon beim Eintreten, als er die beiden Lotsen zu Gesicht bekam, wurde Brückner klar: Dies hier wird nicht viel bringen. ›Informationsgespräch‹ stand auf der Tagesordnung. Na gut, doch die beiden einzigen Spanier, die am Tisch saßen, waren der Schichtleiter der Bodenkontrolle und daneben einer seiner Lotsen. Der Schichtleiter hieß Vidal, der Lotse Ferrer. Aber ohne einen höheren Vorgesetzten oder einen Behördenvertreter würden die beiden gegenüber den Ausländern wohl nicht viel sagen. Zumindest konnte sie niemand dazu zwingen.
Friedrich Rebner, einer der technischen Direktoren der Lufthansa, ein untersetzter, stämmiger Mann mit einem kunstvollen, leicht blaugetönten Haarschopf, hatte die Initiative an sich gerissen. Er schob den Oberkörper nach vorne und nickte bei jedem Wort, als wolle er Vidal mit seiner dicken Nase in Stücke hacken.
»Fassen wir zusammen, Herr Vidal: Sie sagten, der Ablauf sei geplant gewesen. Was heißt hier geplant? Hat es eine Konferenz oder so etwas Ähnliches gegeben?«
In seiner Erregung hatte er die Sätze auf deutsch gebracht. Nun versuchte er sie mühsam in spanische Brocken umzusetzen. Neben ihm saß ein schmaler, blasser Mann mit randloser Brille. Er hieß Faber und war der technische Direktor der Falcon Air.
Brückner zog sich einen Stuhl heran.
»Da sind Sie ja endlich!« Rebner blinzelte ihn an. »Na, Gott sei Dank, Herr Brückner! Ich komme mit
Weitere Kostenlose Bücher