mayday mayday ... eastern wings 610
den beiden Herren hier nämlich nicht so recht weiter. Ich will ja auch nicht behaupten, daß es an denen liegt, sicher ist mein Spanisch recht dürftig.«
»Könnte sein.«
Möller, der zweite LH-Mann, einer von Rebners Assistenten, grinste.
»Sehen Sie! Hier haben wir den Plan von Runway und Rollbahn. Die zweite war ja außer Betrieb. Es geht um die 24-R.« Rebner piekte mit einem vergoldeten Kugelschreiber auf einem Stück Papier herum. »Das sind die Rollwege. Der Punkt hier wiederum, die Intersection Charly 7, der Punkt also, wo jetzt die Trümmer rumliegen. – Waren Sie übrigens schon draußen?«
Brückner schüttelte den Kopf.
Rebner warf ihm aus seinen schmalen Augen einen kurzen, erstaunten Blick zu: »So? Na ja, wie auch immer, Herr Brückner, bei Charly 7 … ah, ich habe ja ganz vergessen, ich muß Sie ja noch mit den beiden Herren bekannt machen: Herr Vidal, Herr Ferrer.«
Brückner senkte grüßend den Kopf und versuchte den hageren, großen Mann mit dem dunklen Bart, der ihn unbewegt über den Tisch her anstarrte, einzuschätzen. In welche Situation er auch geraten sein mochte, Vidal machte den Eindruck, als nähme er nicht nur die Situation, sondern auch seinen Job sehr ernst. Der andere? Im Augenblick jedenfalls war Ferrer – das konnte jeder erkennen – nichts anderes als ein aschgraues Häufchen Elend.
»Wir verfahren bei diesem Gespräch nach der zeitlichen Abfolge«, erklärte Rebner. »Es war am Morgen des Siebzehnten, nachdem der Sturm sich mal so richtig ausgetobt hatte, zunächst eine Wetterberuhigung festzustellen. Die setzte, wie man mir sagte, gegen zehn Uhr zwanzig ein. Darauf begann man wieder mit dem Startbetrieb.« Vor Rebners Assistent Walter Stecker lag ein Block. Anscheinend war er dabei, so etwas wie ein Protokoll zu erstellen. Doch was Brückner viel mehr interessierte, war der verbeulte kleine Stahlkasten, der auf einem der Aktenschränke lag. Die Kabel, die herausführten, waren schwarzverschmort. Reste der roten Farbe, mit der man ihn gestrichen hatte, waren noch erhalten. Darüber zogen sich schwarze Öl- und Rußstreifen. Es war die Black box, der Flugschreiber.
Rebner war seinem Blick gefolgt. »Das ist die von der MD-80.«
»Wurde sie schon ausgewertet?«
Rebner schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Sie ist noch plombiert. Wir machen das dann gemeinsam, in Anwesenheit der Herren von der Staatsanwaltschaft und der Polizei. Aber die sind ja alle noch draußen bei den Trümmern.«
Wieder nickte Brückner. Und wieder musterte er unauffällig die beiden Spanier am Tisch: Vidal, Ferrer. Selbst die Vornamen kannte er: Pep Vidal, was immer das sein mochte, eine mallorquinische Abkürzung von Joseph vielleicht, und Toni Ferrer, was zweifellos Antonio bedeutete. Er fühlte weder Haß noch Aggression. Dabei hatten, wenn man Rebners Theorie folgen wollte, die beiden zweihunderteinundsechzig Menschenleben, darunter auch den Tod von Anja und Iris Seifert, zu verantworten. Was wirst du tun, wenn es sich als wahr herausstellt? Die Frage brachte die alte Schwäche zurück. Leiste dir keine Gefühle! Gut. Nur wie?
»Also, Herr Brückner! Es ist ja schön, daß Sie mir ein wenig helfen können. Dann wollen wir doch gleich das Folgende klären: Wie ich gerade gesagt habe, nach halb elf an diesem Morgen gab es einige wenige Startfreigaben. Aber dann machte das Wetter wieder zu. Noch schlimmer, der Nebel kam. Trotzdem wurde eine Stunde später beschlossen, Rollfreigaben zu erteilen. Damit sind wir bei elf Uhr dreißig. Die Frage lautet: Was hat man sich davon versprochen? Mir bleibt es unklar. Denn wie Herr Vidal gerade sagte, herrschte wegen der Nebelverhältnisse ein fast völliger Mangel an Sichtmöglichkeit.«
Brückner übersetzte. Vidal schüttelte den Kopf. Ferrer blieb vollkommen unbeweglich wie eine Statue. Er hielt den Kopf gesenkt, die Hände verklammert, die Fingerknöchel glänzten weiß wie Elfenbein.
»Nebel«, sagte Vidal. Er sprach das Wort ruhig und gelassen aus. »Richtig. Sicht null. Aber wie wollen Sie Nebel definieren? Vor allem bei derartig unruhigen Windverhältnissen? Wir hatten noch immer mindestens vier oder fünf, manchmal bis zehn Knoten. Einmal aus Süden, dann wieder Westen. Unter solchen Bedingungen ändert sich der Nebel ständig. Einmal sehen Sie gar nichts, dann, fünf Sekunden später, macht die Waschküche wieder auf, und Sie sehen eine Menge.«
»Aber Sie haben trotzdem die Maschinen auf der Rollstrecke bewegt. Waren sie vom Tower zu
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