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mayday mayday ... eastern wings 610

mayday mayday ... eastern wings 610

Titel: mayday mayday ... eastern wings 610 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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stehen. »Ich kann es mir vorstellen. Ich habe es schon gesehen. Und jetzt, Herr Petersen, wäre ich Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie endlich Ihre Klappe halten würden.«
    Der Junge fuhr zusammen. »Entschuldigen Sie bitte …«
    »Ist schon gut.«
    Nichts war gut. Außerdem, hatte Petersen nicht recht? Wieso also machst du ihn fertig? Weil du mit deinen eigenen Problemen nicht zu Rande kommst, und schon gar nicht mit deinen Gefühlen. Und weil du dir alles ziemlich anders vorgestellt hast. Nicht so banal. Nicht unter einem so unbekümmerten, lächerlich blauen Himmel. Nicht mit diesen verdammten Touristenbombern im Rücken, die so ungerührt ihren Alltagsplan abwickelten, als sei nichts, aber auch gar nichts, geschehen.
    »Wie ist das? Es sollte doch eine Trauerfeier stattfinden.« Er sagte es, um irgend etwas zu sagen.
    »Ja«, nickte Petersen. »Der Sekretär des Erzbischofs war vorhin schon bei uns. Auch der Innenminister wird eine Rede halten. Königin Sophia wird kommen. So habe ich wenigstens gehört. Es war sogar die Rede, daß Gonzales selbst erscheint. Aber Sie wissen ja, wie das ist mit diesen Politikern. Wer aus Deutschland da sein wird, weiß ich nicht. Sicher auch so ein Oberbonze.«
    Brückner blieb stehen. Ein Offizier der Guardia Civil kam ihnen entgegen. Im selben Augenblick erkannte Brückner, daß hinter der Wagenreihe Absperrgitter aufgestellt waren. Die graue Ölfarbe hatte verhindert, daß er sie früher ausmachen konnte. Und noch etwas sah er: rechts, neben zwei Flughafenbussen, eine Ansammlung von Menschen. Es war eine ziemlich große Gruppe, und alle trugen sie schwarze Kleidung. So eng aneinandergedrückt, wirkten sie in der tristen Umgebung verloren wie eine Herde dunkler Schafe.
    Der Offizier hob die Hand an die Mütze. »Darf ich fragen, was Sie wünschen?«
    »Herr Brückner!« stellte Petersen vor. »Flugkapitän Brückner ist Mitglied der Untersuchungskommission.«
    »Ah so?« Der Leutnant nahm zum zweiten Mal die Hand hoch. »Ja dann, ich dachte schon, es handelt sich um einen Angehörigen. Wenn ich bitten darf.«
    Brückner machte keinen Schritt mehr.
    Der Leutnant sah ihn an. Er hatte freundliche, wache, junge Augen. Brückner fühlte, wie ihm das Blut in die Stirn stieg. War es Panik? War es wirklich Feigheit?
    Er blickte auf seine Uhr, tat, als lese er die Zeit ab. »Tut mir leid, wenn ich Sie belästigt habe. Aber ich habe gerade festgestellt, daß ich noch wegen einer dringenden Angelegenheit verabredet bin. Vielen Dank. Buenas días.«
    »Buenas días, Señor.«
    Er drehte sich um und ging zurück. Petersen folgte ihm. Er wandte den Blick zum Himmel und dachte: Anja, was haben wir beide dort zu tun? Nichts. Und dann: Anja, ich brauche meine Kraft. Ich brauche noch viel Kraft. Ich muß das durchstehen.
    Als ob der Charter- und Touristentrubel nicht schon reichte, wimmelte es selbst in der Piloten-Lounge von Nachrichten-, Zeitungs- und Fernsehreportern. Sie waren aus allen Teilen der Welt herbeigeeilt, um ein Stück aus dem großen Katastrophenkuchen zu erhaschen. Brückner erkannte Gesichter, ARD-, ZDF-, RTL-Leute drängten sich an ihn heran. Vielflieger, was sonst?
    Er war froh, als er in dem Kleinbus der Flughafenverwaltung saß, der ihn zur Unfallzone bringen würde. Draußen brannte die Sonne auf den Beton. Sonnenbrillenbewehrte Urlauber, darunter viele mit diesen lächerlichen Hüten auf dem Kopf, sammelten sich vor den Einstiegtreppen, um ihre Bordkarten vorzuzeigen.
    Sie schrien, sie lachten, sie winkten.
    Er schloß die Augen. Wenn er sich die Hölle ausdenken müßte – wäre es das hier …
    Der Bus fuhr an. Wieder hörte er in sich die Frage: Anja, wie war das? Hast du gelitten?
    Es war wie ein Zwang. Ständig umkreiste seine Phantasie ihre letzten, die allerletzten Sekunden: Was bedeuteten sie – Schmerzen, Grauen, Schreck? Oder nur diese eine einzige Vision eines grellen Lichtblitzes?
    Anja konnte keine Antwort darauf geben.
    In seinem Bewußtsein erwachte ein anderes Gesicht: das Gesicht einer Frau, einer sehr jungen Frau. Dreiundzwanzig, fünfundzwanzig vielleicht. Ihr Oberkörper lehnte gegen einen schneeverwehten Baumstamm. Doch der Baum war nur noch ein Stumpf, der Aufprall der verunglückten Maschine hatte ihn glatt abgeschnitten. Es war eine Tanne. Eine von vielen Tannen. Den Odilienberg bedeckte ein Wald …
    Nach dem Anruf der ›Vereinigung Cockpit‹ hatte Brückner trotz eisbedeckter Straßen die Strecke von Frankfurt in diese verlassene

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