mayday mayday ... eastern wings 610

gegen die Matratze, versuchte, seinen Bauch zwischen ihre Beine zu schieben. Sie schlug wieder zu. Diesmal mit mehr Glück. Sie hatte seine Nase oder sein Auge getroffen.
    Er fuhr stöhnend zurück. »Maria!«
    »Aus ist's mit Maria.«
    Sie kauerten sich gegenüber, sie starrten sich an in dem bißchen Licht, das im Raum herrschte, auf ihrem verwaisten Ehebett, nichts als Augen, und die Augen wiederum nichts als Brennpunkte von Verzweiflung und Haß.
    »Geh!« sagte sie schließlich. Sie sagte es überraschend sanft.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Geh!«
    Er versuchte wieder nach ihr zu greifen, doch sie entwand sich. »Vielleicht kann man tatsächlich mehr Menschen lieben als einen einzigen, Antonio. Vielleicht kann ich das sogar kapieren … Vielleicht kann man sogar verstehen, daß dein Mann dich nicht mit irgendeinem Flittchen, sondern mit Strichjungen betrügt. Und daß man, wenn man schon auf den Bahamas statt Urlaub Geschäfte machen muß, sich auch mal einen kleinen Urlaub gönnen will. Schön. Aber das ist es ja nicht …«
    »Was dann?«
    »Das fragst du?«
    »Was, Maria?!«
    »Daß du ein solches Schwein bist … Vielleicht nicht ein ganz so großes wie Mr. Charles Lidell, dein angebeteter Chef. Aber es reicht, bei Gott. Und daß du dich von einem derartig kriminellen Arschloch zum Handlanger für jede miese, mörderische Geschichte machen läßt, die in seinem Kopf herumtickt. Und da ticken viele Geschichten, das weißt du …«
    »Du hast davon gelebt … und die Kinder auch.«
    »Vielleicht. Aber ich wußte es nicht. Oder habe die Augen zugedrückt. Vielleicht ist es gerade das, was mich so auf die Palme bringt. Vielleicht auch, weil ich nicht weiß, wie du es schaffst, dir abends einen Jungen reinzuziehen und dann zu mir ins Bett zu kommen, dich einfach umzudrehen und zu schlafen.«
    Er schwieg. Er atmete jetzt heftig. Seine Augen wirkten groß und hart.
    »Peanuts?« sagte sie. »Weibergeschichten, was? Aber das andere … Du hast es doch selbst erzählt. Die Cessna, vor drei Wochen … Die Cessna, die in den Edwards-Bergen runterkam, weil die Instrumente versagten. Und wie war das mit dem Learjet drüben auf Jamaica? Und was ist mit der alten Transall von Bluelight-Cargo? Niemand wußte, wieso die vor Andros baden ging. Mit der ganzen Besatzung … Nur du. Und Lidell. Und du hast es mir auch noch gesagt …«
    »Sei still.«
    »Soll ich dir noch mehr aufzählen? Beruhige dich! Kann ich nicht. Für mich sind das alle … Aber du hast bestimmt noch ein Dutzend in der Tasche. Und da fragst du mich, warum ich nichts mehr von dir wissen will! Soll ich dir …«
    »Sei still, verflucht noch mal!«
    Die letzte Schranke war gefallen. Sie spürte es. Und da war er auch schon über ihr. Sie spürte seinen Atem. Schrie – nicht vor Schmerz, schrie aus Ekel, Widerwillen, Haß … Sie spürte seine Faust, die ihren Wangenknochen streifte, den Schmerz, sie spürte, wie ihr Widerstand gegen seine Kraft erlahmte und sich ihre Beine öffneten, sie versuchte zu kratzen, zu beißen – es gelang ihr eine halbe Drehung, sie kroch von ihm fort, spürte seine Hand zwischen ihren Schenkeln, schmerzhaft, hart – dann aber griff sie nach der Abfallschaufel, die sie zuvor auf dem Boden gesehen hatte. Es war eine solides Ding: aus Blech geschmiedet. Sie hatten sie immer für die Asche im Kamin benutzt. Sie schlug. Zuerst traf sie ihn nicht, dann hörte sie ihn aufbrüllen, einmal und wieder, er rollte vom Bett. Sie hatte nicht wenig Lust, ihm das Blech zwischen die Beine zu stoßen. Er sprang auf.
    »Hau ab!«
    Er starrte auf sie herunter. Sie konnte die Augen nicht erkennen. Sie sah nur, wie sich die Lippen zu einem Grinsen von den Zähnen zogen.
    »Hau ab!« wiederholte sie noch einmal.
    Und da benahm er sich wie der Feigling, der er immer gewesen war, drehte sich um, ging zur Tür und knallte sie hinter sich zu.
    Der Lärm der zuschlagenden Tür sang in ihren Ohren.
    Sie ließ sich aufs Bett zurücksinken. Sie schluchzte. Doch ihre Augen blieben trocken. Sie schluchzte lange, aus Wut, vielleicht aus Erleichterung …
    Sie ging zurück ins Bad und besah sich ihr Gesicht. Von der Stirn zu den Backenknochen zog sich ein schmaler Riß. Die Haut war gewölbt und rot an dieser Stelle.
    Sie sah auf die Uhr; kurz nach sieben.
    Sie mußte sich beeilen. Nicht denken. Nur nicht denken … Darauf kam es an. Sich konzentrieren auf das, was vor ihr lag. Sie nahm die Puderdose heraus und begann ihr Gesicht einzupudern, doch als sie die