mayday mayday ... eastern wings 610
Hause fliegen.«
Er durfte jetzt Fakten und Gefühle nicht durcheinanderbringen. Er ließ das Anja-Thema unberührt. Vielleicht gab es noch einen Grund? In den letzten Stunden, sogar in den letzten Tagen war in ihm das Gefühl stärker geworden, daß Anja sich von ihm entfernt hatte, so als betrachte sie ihn von irgendwo, sehr gelassen, vielleicht ein wenig amüsiert, wie man den Verrenkungen eines anderen zusehen mag, der sich mit etwas beschäftigt, wovon er nicht allzuviel versteht.
Sie nickte wieder. Ihr Mund war schmal geworden.
»Jeder kann sich vorstellen, was das heißt, wenn zwei Flugzeuge aufeinandertreffen«, fuhr er fort. »Zwei Jets mit Frauen, Kindern, Männern. Die einen auf dem Weg in den Urlaub, die anderen auf der Gegenstrecke.«
Sie trank ihren Tee, ließ sich eine Zigarette geben und sog den Rauch in die Lungen. Er sah, daß die Finger, die die Zigarette hielten, leicht bebten.
»Ich weiß nichts von Global Wings«, sagte sie langsam. »Ich weiß nichts, weil ich nichts wissen darf. Mein Mann weiß davon. Und wahrscheinlich eine ganze Menge. Er besorgt in der Firma den, na, sagen wir mal, den Auslandsverkauf. Doch der wird nicht in Miami, sondern auf den Bahamas und den Kaymans abgewickelt.«
»Über Deckadressen?«
»Klar. Was dachten Sie denn? Sie haben dort auch ein paar Werkstätten, soviel ich weiß. Alles perfekt getarnt. Das besorgt mein Mann. Denn darauf versteht er sich, er ist ein Genie der Tarnung. Aber wie gesagt, ich weiß nur, daß es so etwas gibt. Ich habe das ein paarmal mitgehört. Er hat mir auch davon erzählt. Aber ich wollte keine Schwierigkeiten.«
»Und jetzt? Jetzt scheinen Sie welche zu haben.«
Sie nickte. »Weil ich die Sonnenbrille trage, was? Na ja, sagen wir, ich bin gegen eine Mauer gerannt. Vielleicht hätte ich drum herumlaufen können, aber ich wollte die Mauer los sein, wirklich, richtig los. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Vielleicht«, sagte er. »Vielleicht verstehe ich.«
Sie sah auf ihre Uhr, nicht gerade gehetzt, aber deutlich genug.
»Es dauert nicht mehr lange, Mary. Wäre es nicht einfacher, Sie Frau Rosario zu nennen?«
»Nennen Sie mich, wie Sie wollen. Aber was wollen Sie wirklich wissen?«
Er beugte sich ein wenig vor. »Sagen wir mal, daß alles, was ich Ihnen erzählt und beobachtet habe, genau in den Rahmen der Geschäfte paßt, die Mr. Lidell treibt. Mit der tatkräftigen Hilfe Ihres Mannes.«
»Vielleicht. Wahrscheinlich.« Sie rückte wieder an ihrer Brille herum. »Aber machen Sie es mir nicht so schwierig. Zum Teufel, ich weiß ohnehin nicht, warum ich Sie angerufen habe und jetzt mit Ihnen hier herumsitze. Vielleicht, weil ich naiv bin. Oder beknackt … Vielleicht auch, weil ich etwas loswerden wollte, und Sie nun mal der erste Kerl waren, der mir in die Quere lief und von dem ich den Eindruck hatte, daß er die richtige Adresse sei. Vielleicht, weil Sie mir so nett beim Stoßstangenreparieren geholfen haben. Vielleicht wegen Ihrer hübschen, blauen, deutschen Augen …«
»Danke«, grinste er. »Aber immerhin sitzen wir im selben Boot. Ich weiß auch nicht, ob Sie mich aushorchen.«
»Und warum tun Sie's dann?«
»Instinkt«, sagte Brückner. »Vibrations. Irgend so etwas muß es wohl sein.« Er sog an seiner Zigarette, und so, mit den zusammengesteckten Köpfen und den sich ineinander verschlingenden Rauchschwaden hätte jeder im Teeraum des ›Omni‹ sie für ein Liebespaar halten können. Doch nun sah sie wieder auf ihre Uhr.
»Noch eine Frage: Haben Sie den Namen Ahmed Saad schon mal gehört?«
Ihre Augenbrauen bildeten nun eine einzige flache Linie. Sie gab keine Antwort.
»Es gibt eine Firma«, drängte er weiter, »eine Firma in Tripolis. Sie heißt ACP, Agence du Commerce et Participations. Ist Ihnen dieser Name vielleicht schon einmal untergekommen?«
Sie schüttelte den Kopf. Ihr Gesicht behielt denselben sinnenden, fast kindlichen Ausdruck – das Gesicht einer Schülerin, die sich krampfhaft an etwas zu erinnern versucht. Und gerade diese Anstrengung war es, die sie noch hübscher machte, als sie ohnehin schon war.
»Es gab da mal eine Geschichte«, begann sie schließlich zögernd. »Und die hatte irgendwas mit diesem Tripolis zu tun. Wo liegt das überhaupt?«
»In Libyen.«
»So, Libyen. Doch das war vor einem Jahr. Damals kamen so ein paar komische Typen zu uns in die Firma. Und später faselte mein Mann herum, daß, wenn diese Geschichte hinhaute, sie den Laden in Miami dichtmachen und wir
Weitere Kostenlose Bücher