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Mayday

Mayday

Titel: Mayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas H. Block , Nelson DeMille
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hinterhergezerrt. Ihr langes blondes Haar stand wie eine Windfahne von ihrem Kopf ab, und ihre Kleidungsstücke wurden ihr vom Leib gerissen. Ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet, als sie gegen die unsichtbaren Kräfte ankämpfte, die sie mitreißen wollten. Sie grub ihre Fingernägel in den Teppichboden, während die tosenden Luftmassen sie auf das Loch in der Backbordseite zu zogen.
    Ihre Schreie erreichten nicht einmal die Fluggäste, die zu beiden Seiten des Backbordganges saßen. Das Heulen der entweichenden Luft war so schmerzhaft laut, daß die angeschnallten Menschen es körperlich wahrnahmen. Die Ereignisse in der Kabine glichen einer grauenerregenden Pantomime.
    Einige der Bolzen, von denen beschädigte Sitze noch auf den Schienen gehalten wurden, gaben nach. Mehrere Sitzgruppen rissen sich los, rammten andere Sitzreihen und türmten sich über ihnen auf. Eine Vierergruppe mit noch angeschnallten Fluggästen verstopfte das kleinere Loch an Backbord und verstärkte dadurch den Sog auf der Steuerbordseite, wo die Phoenix beim Austritt ein größeres Loch gerissen hatte. Dort schienen sich ein halbes Dutzend losgerissener Sitzgruppen wie nervöse Fallschirmspringer vor dem Sprung zusammenzudrängen. Ein gegen sie krachender einzelner Sitz brachte die ineinander verkeilten Gruppen in Bewegung: Sie schossen nacheinander ins Leere hinaus, während die angeschnallten Passagiere sich festzuhalten versuchten.
    John Berry, der nicht wissen konnte, was draußen passiert war, drückte die Klinke der Toilettentür nach unten und wollte die Tür aufziehen. Sie schien zu klemmen. Er zog mit aller Kraft daran, aber die Glasfasertür gab keinen Millimeter nach, obwohl er sah, daß sie entriegelt war. Berry machte einen erneuten Versuch. Auch diesmal blieb die Tür zu. Das verwirrte und ängstigte ihn. Er drückte mehrmals auf den Klingelknopf und wartete auf Hilfe.
    Während die unter höherem Druck stehende Kabinenluft aus der Touristenklasse, der Ersten Klasse und dem Salon auf dem Oberdeck entwich, wurden die kleinen Räume, aus denen sie nicht so leicht entweichen konnte, noch verhältnismäßig gut mit Luft versorgt. Zu diesen Räumen gehörten vor allem die fünf Toiletten, deren Türen sich nach innen öffneten. Sie wurden durch die nach wie vor arbeitende Klimaanlage belüftet, und obwohl ein Teil der Luft durch die nicht luftdicht schließenden Türen entwich, war die Gesamtbilanz positiv. Die fünf Glasfasertüren standen unter einem Innendruck von etwa 1,8 Tonnen, der sie eisern geschlossen hielt.
    Aus dem Salon auf dem Oberdeck wurden Gläser und Flaschen die Wendeltreppe hinab in die Erste Klasse gesaugt; Bücher, Zeitschriften und Zeitungen wurden Passagieren aus den Händen gerissen und verschwanden in einem tobenden Mahlstrom, der alle losen Gegenstände aus dem Salon anzog.
    Die Fluggäste, die im Salon geblieben waren, als das Schild »Bitte anschnallen« aufgeleuchtet war, beobachteten entsetzt und fasziniert zugleich, wie alles Bewegliche in den Wirbel auf der Wendeltreppe gezogen wurde. Eddie Hogan, der Pianist, hatte »Autumn Leaves« gespielt, als der plötzlich einsetzende starke Sog ihn von seiner fest angeschraubten Bank riß. Die Klavierbank war mit einem speziellen Sicherheitsgurt ausgestattet, aber Hogan hatte darauf verzichtet, ihn anzulegen. Er wurde mit dem Kopf voraus die Wendeltreppe hinuntergesogen, flog quer durch die Hauptkabine und verschwand durch das große Steuerbordloch.
    Ein in der Nähe des Klaviers sitzender Blinder bat mit klagender Stimme, jemand solle ihm doch sagen, was passiert sei. Sein Körper spannte den Sitzgurt, und er hatte alle Mühe, die Leine seines Blindenhundes festzuhalten. Der Setter schien mit fast übernatürlicher Kraft von ihm wegzustreben. »Shannon!« rief er laut. »Hör auf, Shannon!« Die Hündin winselte und versuchte, sich im Teppichboden festzukrallen. Dann riß die Leine, und der Blindenhund wurde in die Erste Klasse hinabgeschleudert, wo er wie leblos unter einem leeren Sitz liegenblieb.
    Die etwa ein Dutzend im Salon angeschnallten Fluggäste sahen entsetzt, daß das Klavier und die Sitzbank in ihren Halterungen schwankten, als der Mahlstrom sie zu verschlingen drohte. Dann wurden die Menschen auf dem Oberdeck fast gleichzeitig hysterisch.
    In der unter dem Salon liegenden Ersten Klasse trommelten die von dem Luftstrom mitgerissenen Gegenstände gegen die Köpfe und schützend erhobenen Hände und Arme der Sitzenden. Die fast kompakte

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