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Mayday

Mayday

Titel: Mayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas H. Block , Nelson DeMille
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verschlimmerte die Folgen des Sauerstoffmangels. Unter der Kabinendecke sammelte sich Wasserdampf an, weil die an Bord vorhandene Feuchtigkeit durch den Druck- und Temperaturrückgang kondensierte. Die Fluggäste starrten diese sich bildenden Wolken an, ohne zu wissen, woraus sie bestanden und was sie bedeuteten.
    »Feuer!« rief jemand. Einige Leute schrien auf, aber die meisten blieben stumm und fanden sich mit dieser neuen Abweichung von der Norm ab, weil sie zu benommen und desorientiert waren, um darauf zu reagieren. Die Wolke zog wie aufkommender Nebel durch die Kabine und bedeckte die schweigend dasitzenden Menschen mit einem amorphen grauen Schleier. Die Kabinenbeleuchtung verschwamm dahinter zu geheimnisvollen Lichtpunkten. An den Wänden und Fenstern bildeten sich weiße Eiskristalle. In der Nähe des Steuerbordlochs herrschte kurz eine Art Schneetreiben, bis die Feuchtigkeit sich verflüchtigt hatte.
    Als das Tosen der entweichenden Luft verebbte, wurden die Triebwerksgeräusche der Straton 797 und das Rauschen der an den gähnenden Löchern abreißenden Luftströmung immer lauter. Diese neuen Geräusche erfüllten die Touristenkabine und übertönten das leise Stöhnen der Verletzten.
    Zahlreiche Fluggäste waren tot oder lagen im Sterben, und die übrigen standen unter Schockwirkung. Aber das Schlimmste schien überstanden zu sein. Die Maschine flog noch, ohne in einen unkontrollierten Absturz übergegangen zu sein. Eine seltsame Ruhe, eine angenehme Trägheit, die an die Wirkung eines Beruhigungsmittels erinnerte, bemächtigte sich der Passagiere, als die ersten Wirkungen des Sauerstoffmangels eintraten. Die Kopfschmerzen waren noch da, aber sie schienen abzuklingen.
    Captain Stuart ließ den Kopf bis auf die Instrumente sinken. Im Cockpit schien es dunkel geworden zu sein, aber er erkannte, daß die Instrumentenbeleuchtung funktionierte. Stuart konzentrierte sich auf die beiden Höhenmesser. Die Maschine befand sich in 51 000 Fuß und sank weiter. Der Kabinendruck entsprach ebenfalls 51 000 Fuß und sank gleich schnell. Die Druckdifferenz war Null. Außen war innen. Innen war außen.
    Der Autopilot steuerte das Flugzeug mit höchstzulässiger Sinkgeschwindigkeit in die dichteren Luftschichten bei 30 000 Fuß, wo ihre Sauerstoffmasken funktionieren würden. Trotzdem war abzusehen, daß der Sauerstoffmangel schon zuvor fatale Konsequenzen haben würde. Stuart wußte, daß daran nicht zu rütteln war. Die Zahlen – Geschwindigkeit, Höhe, Sinkgeschwindigkeit und Druckabfall – sprachen eine deutliche Sprache. Wenn das verdammte Loch kleiner gewesen wäre …
    Überall in der Maschine starben zuerst die Alten, dann die Kranken. Lungen fielen zusammen, Herzen hörten auf zu schlagen, geschwächte Arterien platzten, Blut trat aus allen Körperöffnungen. Innere Blutungen in Schädeln und Körper-höhlen bewirkten schmerzhafte Tode. In Körperhöhlen bildeten sich unter Überdruck stehende Luftansammlungen, und die davon Betroffenen zerkratzten sich bei dem Versuch, an diese Stellen heranzukommen, Gesicht und Körper.
    Junge und Alte, Gesunde und Kranke litten unter Hyperventilation, Schwindelanfällen, Sehstörungen und Brechreiz. Manche erstickten, weil ihre Muskeln, durch den Sauerstoffmangel bedingt, nicht mehr auf den Brechreiz reagierten. Die Haut der Menschen verfärbte sich bläulich. Sie verloren die Kontrolle über ihre Körperfunktionen, und wenn sie für normale Sinneswahrnehmungen empfänglich gewesen wären, hätten sie gemerkt, daß es in der Kabine stank. Mehr und mehr Passagiere hatten es bereits aufgegeben, aus den Sauerstoffmasken atmen zu wollen, aber viele Fluggäste hielten sie sich noch immer vors Gesicht und verfluchten im stillen das Rettungssystem, das keinen Sauerstoff zu liefern schien. Aber der Sauerstoff war da. Die Moleküle strömten aus den Masken an den Gesichtern der unter Sauerstoffmangel Leidenden vorbei und verflüchtigten sich in der unter niedrigem Druck stehenden Atmosphäre.
    Captain Stuart war kaum mehr bei Bewußtsein. Er drehte mühsam den Kopf nach rechts. McVary saß noch aufrecht da und starrte geradeaus. Er schien Stuarts Blick zu spüren, denn er bewegte sich ruckartig und sah ihn mit seltsamem Gesichtsausdruck an. Stuart blickte nach hinten. Fessler lag noch immer in einer Blutlache auf seinem Instrumententisch. Die Blutung schien inzwischen zum Stehen gekommen zu sein.
    Stuarts Finger waren taub; seine Arme und Beine fühlten sich bleischwer an. Sein

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