Mayday
obwohl seine Augen geschlossen blieben.
»Ja. Komm, wir legen ihn hier hin. Gib mir das Kissen dort drüben.« Berry legte dem Kopiloten das Kissen unter den Kopf, schob seine Lider zurück und betrachtete die Pupillen. Sie schienen etwas geweitet zu sein, obwohl das schwer zu beurteilen war. Er sah zu Linda auf. »Vielleicht erholt er sich wieder. Kümmerst du dich ein bißchen um ihn? Mehr können wir vorläufig nicht tun.«
»Ich hole ihm eine Decke.« Sie zeigte auf eine Reisedecke, die von dem Luftstrom unter einen der Sitze gepreßt worden war.
Berry nickte zustimmend. Vielleicht erholte der Kopilot sich wenigstens so weit, daß er Berry helfen konnte, die Straton zu fliegen. Er traute sich zu, die 797 nach Anweisung des Kopiloten zu steuern. Vielleicht.
Linda brachte die Wolldecke. Sie bemühten sich zu zweit um den Bewußtlosen. Berry sah zum Cockpit hinüber. Er war sich darüber im klaren, daß er das Mädchen bald würde auffordern müssen, ihm zu helfen, den Captain in den Salon zu schaffen. Und er würde den toten Flugingenieur aus dem Cockpit schleppen müssen. Aber das hatte noch ein paar Minuten Zeit. Vorerst konzentrierte er sich auf den Kopiloten, auf dem seine ganze Hoffnung ruhte. Berry und das Mädchen bemühten sich so eifrig um Daniel McVary, daß sie nicht merkten, daß draußen ein Düsenjäger bis auf 15 Meter an die Straton 797 herankam.
»Homeplate, ich sehe keine Lebenszeichen in der Kabine.« Matos ging so dicht an die lange Fensterreihe heran, wie er verantworten zu können glaubte. »Einzelheiten sind schwer zu erkennen. In der Kabine ist es dunkel. Warten Sie.«
Der Leutnant wußte, daß er nur Leute erkennen würde, die gesehen werden wollten. Die Menschen an Bord der 797 – fallses Überlebende gab – würden sich an die Fenster drücken müssen, um für ihn sichtbar zu werden. Schon auf dem zweiten Sitz würden sie in der relativen Dunkelheit der Kabine verschwinden.
Aber sie würden natürlich versuchen, seine Aufmerksamkeit zu erregen, damit er ihnen vielleicht helfen konnte.
»Okay, Matos. In der Kabine ist also niemand. Sehen Sie sich das Cockpit an.« Sloans Stimme klang wieder ungeduldig. Befehlend. Sogar einschüchternd. Er schien es eilig zu haben. Matos, der sich diese Eile nicht erklären konnte, überlegte kurz, wie wohl der nächste Befehl lauten würde.
Der Leutnant schob sich mit seiner F-18 nach vorn und noch näher an den Rumpf des Verkehrsflugzeugs heran, bis seine Tragflächenspitze nur mehr zwölf Meter vom Cockpit entfernt war.
Nach Beendigung dieses Manövers fiel Matos etwas auf. Er hatte vor allem darauf geachtet, nicht zu nahe an die Verkehrsmaschine heranzukommen, aber jetzt glaubte er plötzlich, eine Bewegung zu sehen. Irgend jemand ist im Cockpit. Dort muß noch jemand leben, sagte er sich.
Er starrte gespannt hinüber. Das verhältnismäßig kleine Cockpit war wegen der großen Fensterflächen viel heller als die Kabine. Auf der anderen Seite. Platz des Kopiloten.
Auf der rechten Cockpitseite hatte sich etwas bewegt. Matos bildete sich zumindest ein, eine Bewegung gesehen zu haben. Jetzt war er sich seiner Sache nicht mehr so sicher. Bei näherer Betrachtung war nichts zu erkennen. Kein Mensch. Falls die Piloten noch im Cockpit waren, mußten sie tief auf ihren Sitzen zusammengesackt sein.
Vielleicht nur eine Reflexion. Eine Spiegelung in der Windschutzscheibe. Dort drüben lebt keiner mehr, dachte Matos. Er flog eine weitere Minute lang neben der Straton 797 her; dann setzte er sich mit seiner F-18 etwas weiter von der Verkehrsmaschine ab.
Leutnant Peter Matos spürte, daß seine emotionale Wunde erneut aufgebrochen war. »Homeplate, im Cockpit ist niemand. An Bord lebt keiner mehr.« Obwohl Matos um Selbstbeherrschung bemüht war, konnte er nicht länger der unbeteiligte Techniker sein. Sein Herz schlug wie rasend. Es tu culpa, Pedro?
Die F-18 fiel langsam zurück. Matos konnte den Anblick des schwerbeschädigten Verkehrsflugzeugs nicht länger ertragen. Er vergrößerte den seitlichen Abstand noch mehr und starrte angestrengt geradeaus.
5
Jack Ferro saß an seinem langen, funktional modernen Schreibtisch in der Mitte des hell beleuchteten, fensterlosen Raumes. Er warf einen Blick auf die Wanduhr – 11.37 Uhr – und sah dann zu seinem Assistenten Dennis Evans hinüber, der an einem kleineren Schreibtisch saß und lustlos in einem Stapel Papiere blätterte. »Ich gehe in fünf Minuten zum Essen, Dennis.«
Evans nickte.
Weitere Kostenlose Bücher