Mayday
erinnern, aber sie fiel ihm nicht ein. »Hier ist die nach Tokio fliegende Straton 797 der Trans-United Airlines. Mayday. Verstehen Sie Mayday? Trans-United Operations, hier ist die nach Tokio fliegende Straton 797, an Bord ist ein Unfall passiert. Verstehen Sie mich?« Er wartete. Nichts.
Berry sah die Signalleuchten der Funkgeräte blinken, solange er auf den Mikrophonknopf drückte. Auch der Nebenton in den Cockpitlautsprechern zeigte ihm, daß die Funkgeräte funktionierten. Aber sie sendeten aus irgendeinem Grund nicht. Er vermutete, daß etwas – vielleicht die Antenne – beschädigt war. Bisher hatte er gehofft, den Piloten sei es vielleicht noch gelungen, einen Notruf zu senden, aber damit rechnete er jetzt nicht mehr. Daß die Funkgeräte nicht sendeten, war nicht seine Schuld – das hatte er eigentlich gleich gewußt. Sie sendeten einfach nicht, weil sie defekt waren. So einfach war die Sache. Bisher war kein Notruf gesendet worden; auch in Zukunft würde keiner gesendet werden.
Der Funkgeräteausfall bedeutete praktisch, daß Berry keine Chance hatte, die Maschine heimzufliegen. Für ihn war das beinahe eine gewisse Erleichterung. Ihm hatte es vor dem Gedanken gegraut, dieses riesige Flugzeug steuern und landen zu müssen. Aber er wollte leben. Berry legte das Mikrophon aus der Hand und starrte nach draußen. Seine Probleme auf der Erde erschienen ihm von höherer Warte in der richtigen Perspektive. Falls er jemals nach New York zurückkam, konnte und wollte er vieles in seinem Leben ändern. Aber das stellte bestimmt jeder fest, der den Tod vor Augen hatte. Nur noch eine Chance! Trotzdem änderte sich in den meisten Fällen nichts, wenn man das Glück hatte, diese zweite Chance zu erhalten. Aber Berry wollte sich nicht kampflos ergeben. Das hatte er in den vergangenen zehn Jahren zu oft getan. Darüber würde er später nachdenken müssen. Falls er Gelegenheit dazu hatte.
Er drehte sich um und sah durch die offene Cockpittür in den Salon hinaus. Linda Farley hockte in einem Sessel und weinte leise vor sich hin. Berry stand auf, um zu ihr hinauszugehen. Der Captain und sein Kopilot lagen in der Nähe des Klaviers, wohin die beiden sie geschleppt hatten. Der tote Flugingenieur lag an der Rückwand des Salons unter einer Decke, die nur seine Füße sehen ließ.
Berry beobachtete die Stewardess, auf deren Namensschild Terri O’Neil stand. Sie saß auf dem kleinen Sofa und schwatzte Unverständliches vor sich hin. Ihr Gesicht war mit Blut und Speichel verschmiert. Im Augenblick wirkte sie harmlos, aber er wußte, daß er auf sie achten mußte, falls sie gewalttätig zu werden drohte. Er würde sie aus dem Cockpit fernhalten müssen, weil sie dort ernstlich Schaden anrichten konnte.
Die alte Frau kümmerte sich nicht mehr um ihren toten Ehemann; sie hockte jetzt hinter einem der Sessel, sah über die Rückenlehne und gab glucksende Laute von sich. Der Tote lag noch immer über dem Beistelltischchen, aber seine Haltung schien sich verändert zu haben. Berry fragte sich, ob etwa die Leichenstarre bereits einsetzte.
Die fünf Passagiere auf der hufeisenförmigen Couch waren weiterhin bewußtlos. Die hübsche junge Frau in der Mitte stöhnte jedoch vernehmlich. Berry schloß die Augen und drückte die Fingerspitzen beider Hände gegen seine Schläfen. Er hatte weiterhin Kopfschmerzen und fühlte sich benommen.
Er öffnete die Augen und betrachtete die Szene erneut. Bisher hatte er gehofft, die Geistesverwirrung dieser Menschen werde sich bessern, lasse sich bis zu einem gewissen Grad rückgängig machen. Aber daran glaubte er jetzt nicht mehr. Seine Welt war jetzt eindeutig in »wir« und »die anderen« unterteilt.
Berry ging auf Linda zu, blieb neben ihr stehen und legte ihr eine Hand auf die Schultern. Seine Tochter war im gleichen Alter gewesen, als die zunehmende Entfremdung zwischen ihnen begonnen hatte. Aber das war auf der Erde gewesen. Hier oben genoß man als Erwachsener alle alten Privilegien. »Du mußt mir jetzt helfen. Linda.«
Sie wischte sich die Tränen aus den Augen, zog geräuschvoll hoch und nickte.
John Berry ging hinter die Bar, fand eine Dose Coca-Cola und riß sie auf. Aus dem Scherbenhaufen unter der Theke angelte er eine kleine Schnapsflasche. Johnny Walker Red Label. Er schraubte sie auf und kippte den Inhalt, der einem normalen Drink entsprach, bevor er Linda die Dose brachte. »Hier.«
Sie trank daraus. »Vielen Dank.«
Er kniete neben McVary nieder und schob seine
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