McCaffrey, Anne & Scarborough, Elizabeth - Petaybee 02
ungefähre Richtung zeigen können, aus der es gekommen war, als er sie das erste Mal mit der Katze erblickt hatte. Er hoffte, daß es sich später noch als nützlicher erweisen würde.
Das Kind sagte keinen einzigen Ton mehr, sondern saß zusammengekauert auf dem Klappsitz. Seine Finger mit den angerissenen Nägeln umklammerten das Sicherheitsnetz, als würde sein Überleben davon abhängen. Das ärgerte Matthew, der sich für einen außerordentlich guten Fahrer hielt. Er heftete den Blick auf die sogenannte Fahrbahn, der er folgen mußte, während Braddock den Kompaß nicht aus den Augen ließ, sobald das Gelände es erforderlich machte, irgendwelche Abstecher einzulegen, um Hindernisse zu umfahren, die nicht einmal das robuste Schnokel plattwalzen konnte.
Nur einmal stieß das Mädchen einen Ton aus: eine Art erstickten Schrei der Erleichterung.
»Was war das denn, Kleines?« fragte Matthew, wobei er sich bemühte, so gütig wie möglich zu klingen.
»Nnnnnnnichts, edelmütiger Herr«, antwortete sie, und er hatte den leisen Eindruck, daß sie den Kopf nach vorn wenden mußte, um mit ihm zu sprechen. Er blickte in den Rückspiegel, konnte aber nur schneebedeckte Flächen und fleckig verschneite Berge hinter ihnen ausmachen.
»Irgend etwas muß aber doch gewesen sein. Seit wir losgefahren sind, hast du kein einziges Wort mehr gesagt. Fühlst du dich in meiner Gesellschaft nicht wohl?«
»Du bist sehr gütig, Herr.«
»Dann kannst du doch auch deine Gedanken mit mir teilen.«
»Oh, Herr, ich bin es ganz gewiß nicht wert, irgend etwas mit irgend jemandem zu teilen. Es ist nur, daß ich einen hübschen Schatten gesehen habe…«
Matthew wußte sofort, daß die Antwort eine Ausflucht war, denn er konnte weit und breit nichts beobachten, das einem »hübschen Schatten« entsprach. Doch weil er das zaghafte, wortkarge Mädchen nicht noch mehr verschrecken wollte, bis es sich vielleicht völlig eingekapselt hätte, ließ er das Thema lieber fallen.
Sie brauchten vier Tage mit dem Schnokel, bis sie das Tal erreicht hatten. Ziegendung war erfüllt von Trübsal und verharrte, wenn es ihr gestattet war, in Schweigen. Die Reise war für sie das gleiche, wie es der Schlaf im Tal gewesen war – eine Verschnaufpause, eine kurze Phase der Ungestörtheit, doch immer in dem Bewußtsein, daß sie wieder im Tal aufwachen würde.
Sie begleitete Dr. Luzon nicht seiner Versprechungen wegen, sie zu befreien, sie zu adoptieren. Nein, sie wußte es besser, als auf derlei Dinge zu hoffen. Außerdem gehörte sie nicht zu den Personen, die irgend jemand für wichtig genug erachtete, als daß man Versprechen halten mußte, die man gemacht hatte. Sie begleitete ihn vielmehr, weil sie wußte – weil sie es mit einer stumpfen, furchtbaren Gewißheit schon immer gewußt hatte –, daß sie früher oder später wieder im Tal erwachen und dort enden würde. Als sie mit Coaxtl in ihrem Heim gewesen war, hatte sie eine Zeitlang tatsächlich auf die Freiheit gehofft. Mit Coaxtl, die von allem frei war, erschien ihr diese Hoffnung als durchaus begründet. Doch sobald sie wieder unter Menschen gewesen war – selbst unter glücklichen, lachenden, sich zankenden Menschen; Menschen die zu unwissend gewesen waren, um zu begreifen, daß sie ihr Mitleid nicht verdient hatte; Menschen, die nur logen, die nur so taten, als wären sie dazu fähig, sich um sie zu sorgen –, sobald sie sich unter diesen Menschen aufgehalten hatte, wußte sie, daß es ihr bestimmt war, ins Tal zurückzukehren.
Und wer wäre besser geeignet gewesen als Dr. Luzon, der dem Heulenden Hirten so ähnlich und unähnlich zugleich war, sie dorthin zurückzubringen? Er schlug sie nicht, versuchte auch nicht, sie an ihren schmutzigen geheimen Stellen anzufassen. Tatsächlich schien er sich überhaupt nicht für sie zu interessieren. Der einzige Schaden, den er anrichtete, bestand darin, ihr ständig mit Fragen über das Tal, über den Hirten, über die Weisheiten und das Große Ungeheuer in den Ohren zu liegen. Er bombardierte sie auch mit Fragen zu Coaxtl, doch über die große Katze mochte sie nicht sprechen, nicht einmal mit Dr.
Luzon.
Während des Tages zog Meile um Meile schneebedecktes Land an der Windschutzblase des Schnokels vorbei – schneebedeckte Hügel, schneebedeckte Ebenen, schneebedeckte Täler und wieder schneebedeckte Hügel. Sie kamen an halbvereisten Flüssen vorbei, an matschigen Stellen, die sie umfahren mußten, durch Wälder und über Gelände, das
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