McCreadys Doppelspiel
wie Wolkow enden wollte.«
Roth saß da, als hätte er einen Schlag in die Magengrube bekommen. Jeder in der >Branche< kannte den Fall Wolkow, der mit einem Desaster geendet hatte. Anfang September 1945 erschien Konstantin Wolkow, allem Anschein nach der sowjetische Vizekonsul in Istanbul, im britischen Generalkonsulat und erzählte einem fassungslosen Diplomaten, er sei in Wirklichkeit der Stellvertretende KGB-Chef in der Türkei und wolle überlaufen. Er erbot sich, 314 sowjetische Agenten in der Türkei und 250 in Großbritannien zu verraten. Seine sensationellste Behauptung war jedoch, daß zwei britische Diplomaten im Foreign Office sowie ein weiterer hoher Beamter im britischen Secret Intelligence Service für Rußland arbeiteten.
Die Nachricht wurde nach London übermittelt, während Wolkow in sein Konsulat zurückkehrte. In London wurde die Angelegenheit dem Leiter der Rußland-Abteilung übergeben. Dieser Agent gab die nötigen Anordnungen und flog nach Istanbul. Das letzte, was man von Wolkow sah, war eine Gestalt mit Verbänden am ganzen Körper, die hastig an Bord eines sowjetischen Transportflugzeugs geschafft und nach
Moskau ausgeflogen wurde. Dort starb Wolkow, nachdem er in der Lubjanka fürchterlich gefoltert worden war. Der britische Leiter der Rußland-Abteilung kam zu spät. Kein Wunder, denn er hatte von London aus Moskau informiert. Sein Name war Kim Philby. Er war eben jener sowjetische Spion, der durch Wolkows Aussage enttarnt worden wäre.
»Was wollen Sie damit sagen, Peter?«
»Ich mußte so rüberkommen, weil ich wußte, daß ich Ihnen trauen konnte. Sie waren nicht hoch genug.«
»Nicht hoch genug wofür?«
»Nicht hoch genug, um er zu sein.«
»Ich kann Ihnen nicht folgen, Peter«, sagte Roth, obwohl er ihn recht gut verstand.
Der Russe sprach langsam und deutlich, als befreite er sich von einer Last, die ihm schon lange auf der Seele lag.
»Seit siebzehn Jahren hat der KGB einen Mann innerhalb der CIA. Ich glaube, er ist inzwischen sehr hoch gestiegen.«
4
Joe Roth lag in seinem Zimmer in dem abseits stehenden Gebäude auf dem Luftwaffenstützpunkt Alconbury auf dem Bett und überlegte, was er tun sollte. Eine Aufgabe, die ihm sechs Wochen zuvor faszinierend erschienen war und ihn in seiner Laufbahn einen Riesenschritt weiterzubringen versprach, hatte sich soeben in einen Alptraum verwandelt.
Vierzig Jahre lang, seit ihrer Gründung im Jahre 1948, war die CIA vor allem von einem Gedanken besessen: sich vor der Unterwanderung durch einen sowjetischen >Maulwurf< zu schützen. Zu diesem Zweck waren Milliarden von Dollar für die Spionageabwehr ausgegeben worden. Sämtliche Mitarbeiter waren auf Herz und Nieren geprüft, Lügendetektortests unterzogen, befragt und immer wieder überprüft worden.
Und es hatte sich ausgezahlt. Während die Briten Anfang der 50er Jahre von Verrätern wie Philby, Burgess und MacLean in Atem gehalten wurden, war die >Company< sauber geblieben. Während der ausgestoßene britische SIS-Mann sich mühsam in Beirut über Wasser gehalten und die Affäre weitergeschwelt hatte, bis er dann 1963 endgültig nach Moskau ging, war die CIA von derlei Heimsuchungen verschont geblieben.
Als Anfang der 60er Jahre Frankreich von der Georges- PacquesAffäre erschüttert wurde und England mit George Blake abermals einen Skandal verkraften mußte, konnte sich die CIA vor jeder Unterwanderung schützen. In all diesen Jahren war der mit der Spionageabwehr befaßte Zweig des Geheimdienstes, das Office of Security, von einem bemerkenswerten Mann geleitet worden, James Jesus Angleton, einem einsamen, mißtrauischen Monomanen, der nur ein Ziel im Leben hatte: die CIA vor sowjetischer Infiltration zu bewahren.
Angleton wurde schließlich ein Opfer seines angeborenen Mißtrauens. Er begann zu glauben, es gebe in der CIA trotz all seiner Anstrengungen doch einen russischen Maulwurf. Allen Tests und Sicherheitsüberprüfungen zum Trotz gelangte er zu der Überzeugung, irgendwie habe sich ein Verräter einschleichen können. Die Logik dahinter lautete offenbar: Wir haben zwar keinen Maulwurf, aber wir müßten eigentlich einen haben. Es muß also einer da sein; es ist einer da. Die Jagd nach dem imaginären >Sascha< nahm immer mehr Zeit und Mühe in Anspruch. Der paranoide russische Überläufer Golizyn, der den KGB für alles Schlechte auf der Erde verantwortlich machte, stimmte ihm zu.
Das war Wasser auf Angletons Mühlen. Die Jagd auf Sascha wurde intensiviert.
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