McCreadys Doppelspiel
die Fäden in der Hand, oder die undichte Stelle ist bei euch. Willst du wissen, was ich glaube? Es ist Orlow. Übrigens, wie viele Leute haben bei euch denn schon Zugang zu Orlows Material?«
»Sechzehn«, sagte Roth.
»Um Himmels willen. Warum nicht gleich ein Inserat in der New York Times’?«
»Na ja, ich, zwei Assistenten, die Techniker an den Tonbandgeräten, Analytiker - es läppert sich. Das FBI war in die Geschichte mit Remjanz eingeweiht, hat aber von Milton-Rice nichts gewußt. Sechzehn Leute müssen in beiden Fällen Bescheid gewußt haben - rechtzeitig. Ich fürchte, wir haben ein schwarzes Schaf - wahrscheinlich ein untergeordneter Angestellter, ein Codierer, eine Sekretärin.«
»Und ich glaube, ihr habt einen falschen Überläufer.«
»Wie auch immer, ich kriege es raus.«
»Kann ich mitkommen?« fragte Sam.
»Tut mir leid, Kumpel, diesmal nicht. Das ist jetzt CIA- Angelegenheit. Intern. Bis dann, Sam.«
Oberst Pjotr Orlow merkte die Veränderung bei den Menschen in seiner Umgebung, kaum daß Roth wieder in Alconbury eingetroffen war. Binnen zehn Minuten hatte sich die heitere Vertraulichkeit verflüchtigt. Die CIA-Mitarbeiter in dem Gebäude taten auf einmal förmlich und abweisend. Orlow wartete geduldig.
Als Roth sich auf seinen Platz gegenüber Orlow im Befragungsraum setzte, rollten zwei Ordonnanzen ein Gerät in den Raum. Orlow musterte es kurz. Er kannte es schon. Der Lügendetektor. Er sah Roth an.
»Irgendwas faul, Joe?« fragte er leise.
»Ja, und wie.«
Mit ein paar knappen Sätzen berichtete Roth dem Russen von dem Fiasko in Washington. In Orlows Augen blitzte etwas auf. Angst? Schlechtes Gewissen? Das Gerät würde es feststellen.
Orlow erhob keine Einwände, als die Techniker die Elektroden an seiner Brust, seinen Handgelenken und seiner Stirn anbrachten. Roth bediente das Gerät nicht - dafür war ein Techniker da. Aber er wußte, welche Fragen er stellen wollte.
Der Lügendetektor ähnelt einem Gerät für Elektrokardiogramme, wie man sie aus Krankenhäusern kennt, und funktioniert auch ähnlich. Er zeichnet Herzfrequenz, Puls, Transpiration auf - Symptome also, die bei einer Person auftreten, die unter Druck die Unwahrheit sagt, und psychischer Druck ergibt sich allein schon aus der
Testsituation.
Roth begann mit einfachen Fragen, die der Feststellung einer >Normalreaktion< dienten, und die feine Nadel des Zeichengeräts glitt in sanften Hebungen und Senkungen langsam über das unter ihr durchlaufende Papier. Dreimal war Orlow schon so getestet worden, und dreimal waren keine Symptome registriert worden, die auf eine Lüge hingedeutet hätten. Roth stellte ihm Fragen über seinen Werdegang, seine Jahre beim KGB, sein Überlaufen, die Informationen, die er bisher geliefert hatte. Dann ging er zu den härteren Fragen über.
»Sind Sie ein Doppelagent, der für den KGB arbeitet?«
»Nein.«
Die Nadel pendelte weiter langsam auf und ab.
»Sind die Informationen, die Sie uns bisher geliefert haben, wahr?«
»Ja.«
»Gibt es irgendeine letzte, wichtige Information, die Sie uns bisher vorenthalten haben?«
Orlow schwieg. Er umklammerte die Armlehnen des Sessels.
»Nein.«
Die Nadel schlug mehrmals heftig nach oben und unten aus, bevor sie wieder zur Ruhe kam. Roth sah den Techniker an, und der nickte bestätigend. Er stand auf, ging zum Lügendetektor hinüber, schaute auf das Papier und sagte dem Techniker, er solle abschalten. - »Tut mir leid, Peter, aber das war eine Lüge.«
Es wurde still im Raum. Fünf Menschen sahen den Russen an, der die Augen niedergeschlagen hatte. Schließlich schaute er auf.
»Joe, mein Freund, kann ich mit Ihnen sprechen? Alleine? Wirklich alleine? Ohne Mikrofone, nur Sie und ich?«
Es war gegen die Vorschrift, und es war ein Risiko. Roth überlegte. Warum? Wußte dieser rätselhafte Mann, den das Gerät zum ersten Mal bei einer Lüge ertappt hatte, etwas, was seiner Meinung nach nicht einmal die auf Herz und Nieren geprüften Mitarbeiter hören durften? Er nickte abrupt. Als sie allein und alle Geräte abgeschaltet waren, sagte er:
»Nun?«
Der Russe stieß einen langen Seufzer aus.
»Joe, haben Sie sich jemals gefragt, warum ich so und nicht anders übergelaufen bin? So Hals über Kopf? Daß Sie keine Möglichkeit hatten, sich mit Washington abzustimmen?«
»Natürlich. Ich habe Sie auch gefragt. Und ich war offen gesagt nie ganz mit ihren Erklärungen zufrieden. Warum sind Sie auf diese Art übergelaufen?«
»Weil ich nicht
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