McCreadys Doppelspiel
schlichteren Modell als der Jaguar, und zur Botschaft gebracht, verfolgt von den beiden KGB-Fahrzeugen, deren Insassen ihrer Behörde, dem Zweiten Hauptdirektorat, Bericht erstatteten.
Am Spätnachmittag trafen die Fotos von dem seltsamen Besucher im >Dorf< in Jassenewo ein, der Zentrale der Auslandsabteilung des KGB, des Ersten Hauptdirektorats. Sie landeten auf dem Schreibtisch des stellvertretenden Leiters, General Wadim W. Kirpitschenko. Er sah sie prüfend an, las den beiliegenden Bericht über die Perücke und den baumelnden Schnurrbart und ging mit den Bildern ins Fotolabor.
»Sehen Sie mal zu, ob Sie die Perücke und den Schnurrbart wegretuschieren können«, befahl er. Die Techniker gingen mit der Spritzpistole ans Werk. Als der General das Ergebnis sah, hätte er beinahe laut losgelacht.
»Ich werd verrückt«, murmelte er. »Das ist Sam McCready.«
Er informierte das Zweite Hauptdirektorat, daß ab sofort seine eigenen Leute die Beschattung übernehmen würden, und erteilte die nötigen Befehle.
»Vierundzwanzig Stunden täglich. Wenn er Kontakt aufnimmt, werden beide festgenommen. Wenn er etwas aus einem toten Briefkasten holt, wird er festgenommen. Wenn er in die Richtung des Lenin-Mausoleums furzt, wird er festgenommen.«
Er legte den Hörer auf und las noch einmal die Angaben in McCreadys Paß. Er gab sich als Londoner Elektronik-Fachmann aus, der über Helsinki aus London angereist war, um die Botschaft auf Abhöreinrichtungen zu überprüfen - eine Routinesache.
»Aber was zum Teufel machst du wirklich hier?« fragte der General den Mann, der ihn auf dem Foto anstarrte.
In der britischen Botschaft aßen McCready, Gaunt und Thornton alleine. Der Botschafter war nicht begeistert, drei solche Gäste im Haus zu haben, aber die Anforderung war vom Cabinet Office gekommen, und man hatte ihm versichert, die Störung werde nur vierundzwanzig Stunden dauern. Soweit es Seine Exzellenz anging, war es um so besser, je eher diese gräßlichen Spukgestalten wieder verschwanden.
»Ich hoffe, es funktioniert«, sagte Gaunt beim Kaffee. »Die Russen sind bekanntlich hervorragende Schachspieler.«
»Schon«, sagte McCready sachlich, »aber morgen werden wir mal sehen, wie gut sie beim Dreikartentrick sind.«
6
An einem warmen Julimorgen genau um fünf Minuten vor acht kam eine nicht gekennzeichnete Limousine des Typs Austin Montego langsam aus dem Tor der britischen Botschaft in Moskau und fuhr über die Moskwa-Brücke in Richtung Stadtmitte.
Dem KGB-Bericht zufolge saß Sam McCready am Steuer. Außer ihm war niemand in dem Wagen. Perücke und Schnurrbart saßen jetzt wieder makellos, deutlich erkennbar für die Observanten in ihren Autos. Es wurden in diesem Augenblick sowie noch mehrmals im Laufe des Tages Aufnahmen mit Teleobjektiven gemacht.
Der britische Agent fuhr langsam nach Moskau und hinaus in die >Ausstellung der volkswirtschaftlichen Errungenschaften der UdSSR< im Norden der Stadt. Unterwegs versuchte er mehrmals, einen etwaigen Verfolger abzuschütteln, was ihm aber nicht gelang. Er bemerkte auch nicht, daß er tatsächlich verfolgt wurde. Der KGB arbeitete mit sechs Wagen, die einander ablösten, so daß nie ein und derselbe Wagen länger als ein paar Minuten hinter dem Montego herfuhr.
Nachdem er den riesigen Park erreicht hatte, ließ der SIS- Mann sein Auto stehen und ging zu Fuß weiter. Zwei der KGB- Fahrzeuge bezogen in der Nähe des geparkten Montego Posten. Die Besatzungen der anderen vier Wagen verteilten sich so, daß der Engländer schließlich auf allen Seiten von einem unsichtbaren Schirm umgeben war.
Er kaufte sich ein Eis und saß fast den ganzen Vormittag auf einer Bank, tat so, als lese er in einer Zeitung, und sah immer wieder auf die Uhr, als wartete er auf jemanden. Es kam niemand, bis auf eine alte Frau, die ihn nach der Uhrzeit fragte. Er zeigte ihr wortlos seine Armbanduhr, sie las die Zeit ab, bedankte sich und ging weiter. Sie wurde prompt festgenommen, durchsucht und verhört. Am nächsten Morgen stand das Ermittlungsergebnis des KGB fest: Es handelte sich um eine alte Frau, die die Uhrzeit hatte wissen wollen. Der Eisverkäufer wurde ebenfalls festgenommen und mit ähnlichem Ergebnis verhört.
Kurz nach zwölf nahm der Agent aus London ein Päckchen Sandwiches aus der Tasche und aß sie langsam auf. Als er fertig war, stand er auf, ließ das Einwickelpapier in den Abfallkorb fallen, kaufte sich noch ein Eis und setzte sich wieder hin.
Der Abfallkorb wurde
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