Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
Vom Netzwerk:
mir, ich könnte für eine Woche rüberfliegen, das Gesuchte finden und dann wieder mit Genehmigung meiner Vorgesetzten nach London zurückkehren.
    Erst als ich ankam, erfuhr ich, daß es zu spät war. Ich stehe unter schwerem Verdacht. Meine Wohnung und mein Büro werden abgehört. Man beschattet mich ständig. Ich darf Jassenewo nicht verlassen und nur bedeutungslose Arbeit in der Zentrale verrichten. Ach übrigens, ich habe etwas für Sie.«
    Er öffnete seinen Aktenkoffer und reichte McCready einen dünnen Ordner. Es waren fünf Blätter darin, jedes mit einem Foto und einem Namen. Unter dem ersten Bild stand >Donald Maclean<, unter dem zweiten >Guy Burgess<. Beide waren inzwischen verstorben und in ihrer Wahlheimat Moskau begraben. Das dritte Blatt zeigte das wohlbekannte Gesicht und den Namen von Kim Philby, der noch am Leben war und in Moskau saß. Der vierte Mann hatte die schmalen, asketischen Züge von Anthony Blunt, der inzwischen in England aus dem Amt gejagt worden war. McCready blätterte zur fünften Seite um.
    Das Foto war sehr alt. Es zeigte einen mageren jungen Mann mit strubbeligem, gewelltem Haar und großen, eulenhaften Brillengläsern. Unter dem Foto standen zwei Worte. John Cairncross. McCready lehnte sich seufzend zurück.
    »Ach du Scheiße, also doch der.«
    Er kannte den Namen. Cairncross war während und nach dem Krieg trotz seiner jungen Jahre ein hoher Beamter gewesen. Er hatte auf den verschiedensten Posten gedient - als Privatsekretär von Lord Hankey, Minister im Kriegskabinett, beim Abhördienst in Bletchley Park, im Schatzamt und im Kriegsministerium. Ende der vierziger Jahre hatte er Zugang zu geheimen Informationen über Kernwaffen gehabt. Anfang der fünfziger Jahre war er unter Verdacht geraten, hatte aber nichts gestanden. So blieb nur die Möglichkeit, ihn rauszuekeln. Da man ihm nichts hatte nachweisen können, durfte er nach Rom zur Welternährungsorganisation (FAO) gehen. Seit 1986 lebte er in Frankreich im Ruhestand. Eine 35Jährige Jagd war vorbei, und kein Unschuldiger brauchte mehr eine ungerechte Anklage zu fürchten.
    »Sam«, fragte Gorodow mit sanfter Stimme, »wo fahren wir eigentlich hin?«
    »In meinem Horoskop steht«, erwiderte M:Cready, »daß ich heute eine Reise nach Westen machen werde. In Ihrem steht das gleiche.«
    Thornton hielt erneut unter den Bäumen des Gorki-Parks, tauschte dann den Platz mit einem der beiden Männer auf dem Rücksitz und ging an die Arbeit. Der andere setzte sich ans Steuer und markierte den Chauffeur. Niemand hätte es sich einfallen lassen, sich neugierig der Limousine eines Mitglieds des Zentralkomitees zu nähern, aber es war ohnehin niemand zu sehen. Hochrangige Parteimitglieder verhängten den Fond ihrer Dienstlimousinen stets mit Vorhängen, und auch bei diesem Wagen waren sie jetzt zugezogen. Thornton arbeitete an seinem Klienten - die Leute, denen er eine Maske verpaßte, nannte er immer seine >Klienten< - in dem diffusen Tageslicht, das durch die Vorhänge ins Wageninnere fiel.
    Eine aufblasbare Unterziehjacke aus dünnem Material verlieh dem schlankeren Mann die Leibesfülle des Rabbi Birnbaum. Darüber kamen das weiße Hemd, schwarze Hosen, Krawatte und Sakko. Thornton brachte den grauen Vollbart und den Schnurrbart an, färbte die Haare in derselben Farbe und befestigte die grauen Korkenzieherlocken des orthodoxen Rabbi an den Schläfen des Klienten. Mit dem schwarzen Homburg und der Reisetasche war Rabbi Birnbaum wieder auferstanden, genau wie er tags zuvor in Moskau eingetroffen war. Nur daß es diesmal ein anderer Mann war. Zum Schluß wurde die Limousine wieder in ein Fahrzeug der britischen Botschaft zurückverwandelt.
    Der Rabbi wurde am Hotel National abgesetzt, wo er ausgiebig zu Mittag aß; er zahlte in US-Dollar und nahm ein Taxi zum Flughafen. Er hatte für den Nachmittagsflug nach London gebucht, und auf seinem Ticket stand, daß er nach New York weiterfliegen wollte.
    Thornton fuhr den Wagen zurück aufs Gelände der britischen Botschaft, wobei sein anderer Klient unter der Decke vor dem Rücksitz kauerte. Er machte sich fast unverzüglich wieder an die Arbeit, mit einer Perücke und einem Schnurrbart in der gleichen rotblonden Färbung, mit Cremes, Farbstoffen, eingefärbten Kontaktlinsen und Zahnfarbe. Zehn Minuten, nachdem Denis Gaunt, dem die Kopfhaut unter der warmen Perücke juckte, die er den ganzen Tag dem KGB zuliebe getragen hatte, in seinem Montego zurückgekommen war, wurde der andere Mann von

Weitere Kostenlose Bücher