McCreadys Doppelspiel
Schüsse kam es im Innern der Villa zunächst zu keiner Reaktion. Zu dieser Stunde hielten sich nur zwei Leute im Government House auf.
Jefferson bereitete in der Küche gerade eine Obstbowle für das Abendessen zu - Lady Moberley trank keinen Alkohol - und sagte später aus, der lärmende Mixer müsse angeschaltet gewesen sein, als die Schüsse fielen.
Der Adjutant des Gouverneurs war Lieutenant Jeremy Haverstock, ein junger Subalternoffizier mit flaumigen Wangen, der vom Regiment Queen’s Dragoon Guards abgestellt worden war. Er befand sich in seinem Zimmer am anderen Ende des Government House, wo das Fenster geschlossen war und die Klimaanlage auf Hochtouren lief. Dazu hatte er, wie er später aussagen sollte, das Radio an und hörte zu der betreffenden Zeit eine Musiksendung von Radio Nassau. Auch er hatte nichts gehört.
Als Jefferson schließlich in den Garten kam, um sich mit Sir Marston über die Zubereitung der Lammkoteletts zu besprechen, hatte sich der Attentäter offensichtlich längst aus dem Staub gemacht. Als Jefferson die oberste Stufe der in den Garten führenden Treppe erreichte, sah er seinen Arbeitgeber flach und mit ausgebreiteten Armen auf dem Boden liegen, so wie ihn der zweite Schuß zu Boden gestreckt hatte. Auf seinem blauen Baumwollhemd breitete sich ein dunkler Fleck aus.
Zuerst dachte Jefferson, Sir Marston müsse ohnmächtig geworden sein, und lief die Stufen hinab, um ihm zu helfen. Als er die Schußwunde in der Brust erkannte, wollte er seinen Augen erst nicht trauen. Im nächsten Augenblick rannte er, von Panik erfaßt, ins Haus, um Lieutenant Haverstock zu holen.
Augenblicke später erreichte der junge Offizier, noch in Boxershorts, den Schauplatz der Tat.
Haverstock geriet nicht in Panik. Er untersuchte den Toten, ohne ihn zu berühren, kam zu dem Ergebnis, daß Sir Marston mausetot war, und setzte sich in den Sessel des Gouverneurs, um zu überlegen, was zu tun sei.
Ein ehemaliger Regimentschef Haverstocks hatte über ihn einmal geschrieben, er sei aus >einem erstklassigen Stall und nicht besonders aufgeweckt< - als handelte es sich um ein Kavalleriepferd, nicht um einen Kavallerieoffizier. Aber bei der Kavallerie hatte man ein ziemlich geordnetes Weltbild: ein gutes Pferd ist unersetzlich, ein Subalternoffizier ist es nicht.
Haverstock saß ein paar Schritte von der Leiche entfernt im Sessel und ließ sich die Sache durch den Kopf gehen, indes Jefferson von der obersten Stufe der Verandatreppe mit aufgerissenen Augen herstarrte. Der Subalternoffizier kam zu dem Befund, daß er, erstens, einen toten Gouverneur auf dem Hals, daß diesen, zweitens, jemand erschossen hatte und dann entkommen war, und daß er, drittens, eine höher gestellte Autorität informieren sollte. Das Problem war: Die höchste Autorität war der Gouverneur, beziehungsweise er war es gewesen. Als seine Überlegungen so weit gediehen waren, kam Lady Moberley nach Hause.
Jefferson hörte das Knirschen der Reifen des Dienstwagens, eines Jaguar, auf dem Kies der Auffahrt und eilte durch die Eingangshalle, um sie abzufangen. Er brachte ihr mit klaren, wenn auch nicht sehr schonenden Worten bei, was geschehen war.
»Oh, Lady Moberley, der Botschafter, erschossen. Er ist tot.«
Lady Moberley eilte hinaus auf die Veranda, um in den Garten zu schauen, wo ihr auf den Stufen Haverstock entgegenkam. Er geleitete sie in ihr Schlafzimmer und sprach ihr tröstend zu, als sie sich hinlegte. Sie wirkte mehr verblüfft als bekümmert.
Nachdem Haverstock Lady Moberley fürs erste versorgt hatte, beauftragte er Jefferson, den einzigen Arzt der Insel, der zufällig auch der amtliche Leichenbeschauer war, und Chief Inspector Jones ins Government House zu holen. Er instruierte den Butler, der völlig durcheinander war, keinen Grund zu nennen, nur die beiden Männer zu ersuchen, möglichst rasch zu kommen.
Diese Weisung fruchtete nichts. Der arme Jefferson teilte Chief Inspector Jones in Hörweite von drei Constables, die mit weitaufgerissenen Augen lauschten, und Dr. Caractacus Jones in Gegenwart seiner Haushälterin mit, was geschehen war. Schon als Onkel und Neffe zum Government House eilten, verbreitete sich die Nachricht in Windeseile.
Während Jefferson fort war, grübelte Lieutenant Haverstock darüber nach, wie er London benachrichtigen sollte. Die Residenz des Gouverneurs war nie mit modernen, abhörsicheren Fernmeldeverbindungen ausgerüstet worden. Man hatte dergleichen nicht für notwendig gehalten. Abgesehen
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