McCreadys Doppelspiel
helfen.«
»Es tut mir leid. Ich habe mich anscheinend sehr töricht verhalten.«
»Sie konnten es ja nicht wissen, Mrs. Farquarson. Hat Sie gut Englisch gesprochen?«
»Ja, perfekt. Mit einem leichten Akzent, vielleicht polnisch.«
McCready war sich ziemlich sicher, woher die Dame gekommen war. Es waren noch andere Jäger hinter Bruno Morenz her, doch nur McCready und eine andere Gruppe wußten von der Würzburger Firma BKI. Er stand auf.
»Bitte überlegen Sie einmal ganz genau, wovon er in diesen Nachkriegsjahren gesprochen hat, wenn überhaupt. Gibt es irgendeinen Menschen, bei dem er in dieser Stunde der Bedrängnis vielleicht Hilfe suchen wird? Um unterzuschlüpfen?«
Sie überlegte lange und angestrengt.
»Einen Namen hat er erwähnt, einen Menschen, der nett zu ihm gewesen war. Seine Volksschullehrerin. Fräulein. wie hieß sie doch gleich. Fräulein Neuberg, nein, jetzt fällt es mir ein: Fräulein Neumann. Ja, Neumann. Aber vermutlich lebt sie inzwischen nicht mehr. Das ist ja vierzig Jahre her.«
»Noch eine letzte Frage, Mrs. Farquarson. Haben Sie das gegenüber der Dame von der Glasfirma erwähnt?«
»Nein, es ist mir eben jetzt erst eingefallen. Ich habe ihr nur erzählt, daß Bruno einmal als Evakuierter zwei Jahre auf einem Bauernhof gelebt hat, nur ein paar Kilometer von Weimar entfernt.«
Als McCready wieder im Century House war, entlieh er bei der Abteilung Ostdeutschland ein Weimarer Telefonbuch. Es enthielt mehrere Eintragungen mit dem Namen Neumann, aber nur einen, hinter dem »Lehrerin i.R.« stand. Es war eine vage, eine sehr vage Chance. Er konnte einen Agenten vor Ort, den die Abteilung Ostdeutschland jenseits der Mauer hatte, anrufen lassen. Aber die Stasi-Leute waren überall, hatten alles verwanzt. Schon die Frage, ob die Angerufene früher Lehrerin eines kleinen Jungen namens Morenz gewesen sei, konnte alles verraten. Sein nächster Besuch galt der Abteilung im Century House, deren Spezialität die Fälschung sehr falscher Personalausweise war.
Er rief bei British Airways an, wo man ihm nicht helfen konnte. Die Lufthansa hingegen hatte eine Maschine, die um 17.15 Uhr nach Hannover abflog. Er bat Denis Gaunt, ihn noch einmal nach Heathrow zu fahren.
Menschen und Mäuse, hätte der schottische Dichter Robert Burns sagen können, könnten noch so ausgeklügelte Pläne schmieden, und trotzdem sähen sie manchmal hinterher wie ein Hundefrühstück aus. Die Maschine der polnischen Fluggesellschaft sollte planmäßig um 15.30 Uhr nach Warschau, mit Zwischenlandung in Ost-Berlin, abfliegen. Doch als der Pilot seine Systeme einschaltete, leuchtete ein rotes Warnlämpchen auf. Wie sich zeigte, war es nur eine schadhafte Magnetspule, aber sie verzögerte den Start bis sechs Uhr. In der Abflughalle warf Majorin Wanawskaja einen kurzen Blick auf einen Bildschirm mit den Zeitangaben für die abfliegenden Maschinen, bemerkte die Verzögerung >aus betrieblichen Gründen<, stieß einen leichten Fluch aus und wandte sich wieder ihrer Lektüre zu.
McCready wollte gerade sein Büro verlassen, als das Telefon klingelte. Er zögerte erst, ob er abheben sollte, fand es dann aber doch richtig. Es konnte ja etwas Wichtiges sein. Am Apparat meldete sich Edwards.
»Sam, aus der Fälschungsabteilung hat sich jemand bei mir gemeldet. Jetzt hören Sie mir mal zu, Sam, Sie bekommen keinesfalls, auf gar keinen Fall meine Erlaubnis, nach Ostdeutschland zu gehen. Ist das klar?«
»Völlig klar, Timothy, es könnte nicht klarer sein.«
»Gut«, sagte der Stellvertreter des Chefs und legte auf. Gaunt hatte die Stimme am anderen Ende der Leitung gehört und ebenso, was sie gesagt hatte.
McCready fand Gaunt allmählich sympathisch. Er war zwar erst ein halbes Jahr zuvor in die Abteilung eingetreten, ließ aber erkennen, daß er aufgeweckt und vertrauenswürdig war, und daß er den Mund halten konnte. Während er den Hogarth Roundabout umkurvte und dabei im dichten Freitagnachmittagsverkehr nicht wenige Fahrzeuge schnitt, beschloß er, den Mund aufzumachen.
»Sam, ich weiß, Sie waren schon in mehr gefährlichen Gegenden als ein Tierarzt mit seinem rechten Arm, aber Sie sind in Ostdeutschland in Gefahr, und der Boß hat Ihnen verboten, noch einmal da hineinzugehen.«
»Verbieten ist eine Sache«, sagte McCready, »verhindern eine andere.«
Während er durch die Abflughalle des Terminal 2 schritt, warf er nicht einmal einen flüchtigen Blick auf die adrette junge Frau mit dem schimmernden Blondhaar und den
Weitere Kostenlose Bücher