McCreadys Doppelspiel
gewährt wurde.
Carver verspätete sich - er war drei Seitenstraßen weiter in seinem Wagen sitzengeblieben, bis er über sein Autotelefon erfahren hatte, daß die Transportmaschine gestartet war. Als er in Edwards’ Büro erschien, war es zehn nach drei, und die Maschine hatte den Bristolkanal hinter sich und befand sich südlich von Irland - Flugziel Maryland.
Als er sich mit Edwards traf, hatte Carver von Roth bereits einen vollständigen Bericht bekommen, den ein Kurier der amerikanischen Luftwaffe von dem Luftwaffenstützpunkt nach London gebracht hatte. Roth erklärte darin, er habe vor der Wahl gestanden, entweder Kutschenko/Orlow sofort zu übernehmen oder ihn zurückgehen zu lassen, und Orlow habe mit aller Entschiedenheit darauf bestanden, nur zu den Amerikanern zu gehen.
Mit diesem Argument versuchte Carver, der Kränkung für die Briten den Stachel zu nehmen. Edwards hatte längst bei McCready zurückgefragt und wußte genau, wer Orlow war - die amerikanische Datenbank, die Roth kurz nach sieben Uhr morgens benutzt hatte, stammte ja ursprünglich vom SIS. Edwards gestand sich insgeheim ein, daß er genauso gehandelt hätte wie Roth, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, einen so dicken Fisch an Land zu ziehen, aber er gab sich trotzdem stark verschnupft. Nachdem er Carvers Bericht formell entgegengenommen hatte, informierte er sofort sein eigenes Verteidigungsministerium, das Foreign Office, und den Security Service. Kutschenko (er hielt es nicht - noch nicht - für nötig, aller Welt zu sagen, daß der Mann eigentlich Orlow hieß) befand sich auf amerikanischem Hoheitsgebiet und war jedem Zugriff der Briten entzogen.
Eine Stunde später traf Botschafter Samjatin im Foreign Office in der King Charles Street ein und wurde sofort zum Außenminister persönlich gebracht. Dessen Ausführungen nahm er zwar mit gespielter Skepsis entgegen, aber im Grunde war er bereit, Sir Geoffrey Howe zu glauben, den er als einen äußerst aufrichtigen Mann kannte. Nachdem er seiner Empörung angemessen Ausdruck gegeben hatte, fuhr er in die Botschaft zurück und informierte Moskau. Die sowjetische Militärdelegation flog am späten Abend nach Hause, zutiefst niedergeschlagen angesichts der drohenden endlosen Verhöre.
In Moskau herrschte seit langem ein Kampf bis aufs Messer zwischen dem KGB, der den GRU beschuldigte, nicht wachsam genug zu sein, und dem GRU, der den KGB beschuldigte, Verräter in den Reihen seiner Offiziere zu haben. Orlows Frau, die sichtlich erschüttert war und ihre Unschuld beteuerte, wurde verhört, desgleichen sämtliche Kollegen, Vorgesetzte, Freunde und Bekannte Orlows.
In Washington bekam der Direktor der CIA einen erbosten Anruf vom Außenminister, bei dem sich Sir Geoffrey Howe per Telegramm bitterlich über die Handhabung der Affäre durch die Amerikaner beklagt hatte. Als der DCI den Hörer aufgelegt hatte, sah er über seinen Schreibtisch hinweg zwei Männer an, den Stellvertretenden Direktor für Operative Maßnahmen und den Leiter der Abteilung Sonderprojekte, Calvin Bailey. Er wandte sich an den letzteren.
»Ihr junger Mr. Roth hat ja eine Lawine losgetreten. Er hat auf eigene Faust gehandelt, sagten Sie?«
»Ja. Offenbar hat der Russe ihm keine Zeit gelassen, den Dienstweg einzuhalten. Er mußte sich sofort entscheiden, dafür oder dagegen.«
Bailey war ein magerer, ernster Mann, der keinen Wert auf persönliche Freundschaften innerhalb der Behörde legte. Er galt als zurückhaltend, frostig. Aber er verstand sein Handwerk.
»Wir haben die Briten ganz schön vor den Kopf gestoßen. Wären Sie dasselbe Risiko eingegangen?« wollte der DCI wissen.
»Ich weiß nicht«, sagte Bailey. »Das läßt sich erst beurteilen, wenn wir mit Orlow geredet haben. Ausführlich geredet.«
Der DCI nickte. In der Welt der Geheimdienste galt wie überall eine einfache Regel. Wenn man alles auf eine Karte setzte und großen Erfolg hatte, war man ein gewiefter Bursche und Anwärter auf die höchsten Posten. Ging die Sache schief, blieb immer noch die vorzeitige Pensionierung. Der DCI wollte es auf den Punkt bringen.
»Übernehmen Sie die Verantwortung für Roth? Ganz egal, wie es ausgeht?«
»Ja«, sagte Bailey. »Ich übernehme sie. Wir können nicht mehr zurück. Wir müssen sehen, was uns da ins Haus geschneit ist.«
Als die Transportmaschine kurz nach 18 Uhr Washingtoner Zeit in Andrews landete, warteten fünf Limousinen des CIA auf dem Rollfeld. Bevor die Besatzung aussteigen konnte,
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