Mea culpa
ich kann nicht mit diesen beiden Frauen sprechen. Ich sehe sie, ich höre sie, sie sind laut, sie reden ungeniert und aufdringlich, in der sicheren und reichlich arroganten Überzeugung, dass niemand hier sie versteht. Ich will so sein wie sie, früher einmal war ich wie sie, das versetzt mir einen Stich, aber ich traue mich einfach nicht.
Ich schleiche mich über das Boot. Ich will wissen, woher die anderen stammen. Ich muss mir ein Land suchen, in das ich gehöre. Drei Paare sprechen Französisch. Vier Paare Englisch. Alle an Bord sind in Paaren. Sogar der Star und ihre Anwältin, sogar Petter und ich.
Die Englischsprachigen kommen aus Südafrika. Ihre Sprache ist eng und spitz und fremdartig, und sie haben eine seltsame, leicht erkennbare Ausstrahlung; nach fast einem halben Jahr erkenne ich Weiße aus Südafrika schon aus der Ferne. Und das macht es noch schlimmer, von den Einheimischen mit ihnen in einen Topf geworfen zu werden.
Die USA . Ich kann aus den USA kommen. Damit komme ich wohl durch, wenn ich so wenig wie möglich sage.
Das Meer ändert seine Farbe. Es ist nicht mehr patinagrün, es ist von tiefem, tiefem Türkis mit viel Blau. Zwei Delphine spielen vor dem einen Schiffsrumpf, sie drehen und wenden sich, sie springen im Bogen durch die Luft, und alle Touristen wiehern begeistert auf. Petter wäre fast ins Wasser gefallen.
Warum ich solche Angst vor den beiden Frauen habe, weiß ich nicht. Ich fühle mich zu ihnen hingezogen und setze mich so weit von ihnen entfernt hin, dass ich nicht zu einem Gespräch einlade, während ich doch hören kann, was sie sagen. Ich sauge ihre Worte in mich auf, ich horche, ich hüstele und wende mich ab, wenn sie witzig sind, manchmal sind sie wirklich ungeheuer amüsant, scharfzüngige, selbstbewusste, blonde Norwegerinnen, auf Reisen, ohne Männer. Sie kommentieren Männerkörper und Behaarung. Eine andere Frau, eine Deutsche mit schlankem, femininem Oberkörper, hat Beine, die jeden Mann neidisch machen könnten, sie sind ganz einfach faszinierend behaart, nicht nur zieht sich ein dichter Haarwald die Innenseite der Oberschenkel hinunter, sondern die Behaarung geht noch weiter bis unten, wenn auch etwas heller und etwas spärlicher, aber doch wie ein Bart, und in diesem Fell befinden sich extrem muskulöse Beine, wie die einer durchtrainierten Athletin, sie sieht aus wie eine Frau, die von einem Zauberkünstler zersägt und durch ein fatales Missverständnis falsch wieder zusammengesetzt worden ist; und der Star und die Anwältin lachen und kichern, und der Weißwein bleibt ihnen im Hals stecken, und sie versuchen, nicht die Deutsche anzusehen, die es bestimmt sehr schwer gehabt hat, seit die Pubertät ihr diesen überaus gemeinen Streich gespielt hat. Ich verberge mein Gesicht hinter dem metallenen Trinkbecher. Sie sind gemein, diese Norwegerinnen. Aber ich würde am liebsten lachen. Mit ihnen zusammen. Ich habe so lange nicht mehr gelacht. Auf Norwegisch, meine ich, nicht über Petters Streiche, über Spitzfindigkeiten und grobe Andeutungen; ich will in meiner eigenen Sprache lachen, ich will mich zu ihnen setzen, die Hand ausstrecken und mit ihnen reden. Über Deutsche aus dem Kuriositätenkabinett und Schiffsknaben mit feschen Hintern in engen Shorts.
Der schmale, seichte Sund zwischen dem Ilot Gabriel und der Ile Plate ist nicht von dieser Welt. Es ist so schön, dass der Anblick weh tut, und ich muss schlucken, um schweigen zu können. Ich starre ins Wasser, ohne zu wissen, ob es tief oder seicht ist. Unter uns können zehn Meter Wasser sein, es mag mir auch nur bis zur Taille reichen, ich kann es nicht sagen, das Wasser weist nicht einmal eine Andeutung von Farbe auf. Der Grund ist rosa und braun und gelb und weist eigentlich alle Farbtöne auf, und die Fische scheinen aus einem Aquarium entflohen zu sein: schwarz mit weißen Streifen, grün mit gelben Streifen, blau mit roten Flecken; eine Unendlichkeit von Kombinationen, die mich in alle Richtungen starren und fragen lässt, wo wir hier sind. Wir werfen Anker.
Wir haben ein Beiboot hinter uns hergezogen, über diesen kleinen Teil des Indischen Ozeans, wie ein Badeentchen an einer Schnur. Wir wollen an Land, und es gibt keinen Anleger, und die Norwegerinnen drängen sich an den ersten Platz in der Schlange. Sie wollen noch immer keine Hilfe. Sie lachen und hören nicht auf den Mann, der ihnen sagen will, wo sie die Füße hinsetzen sollen, und dann tritt die Anwältin zu hart aufs Dollbord, das unter den
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