Mea culpa
Meeresgemurmel?
Die Ocean Murmur segelt nach Norden, auf das gute Wetter zu. Sie legt morgens gegen halb zehn ab und kehrt mit ihrer Ladung – die jetzt rosa, dunkelrot und braun ist – zurück, wenn es auf den Abend zugeht, ungefähr eine Stunde vor Einbruch der Dunkelheit.
Sie waren auf der Ilot Gabriel. Die habe ich auf der Karte und auf einem verschossenen Plakat in der Stadt gesehen. Es ist eine Insel. Eine kleine, unbewohnte Insel.
Ich würde gern einen Ausflug mit der Ocean Murmur machen.
Hervé sagt, es kostet zwölfhundert Rupien. Fast fünfhundert Kronen. Ich wage nicht zu fragen, ob im Preis eine Mahlzeit inbegriffen ist. Sie müssen doch etwas essen, diese Fremden, und auf dem verschossenen Bild kann ich kein Haus entdecken, kein Café oder Restaurant.
Ich muss vorsichtig mit meinem Geld umgehen. Ich bin schon zu lange hier. Aber ich möchte den Ilot Gabriel sehen. Mit gefällt das mattfarbige Plakat mit den Eselsohren, das Bild zieht mich an, und ich fühle mich von so wenigem angezogen. Nur von der Vorstellung, nach Hause zu fahren.
Ich kaufe für den Jungen und mich eine Fahrkarte.
Ich denke nicht an die Möglichkeit, jemandem zu begegnen. Jemandem aus Norwegen, meine ich.
Hervé führt uns zum Ausgangspunkt, einem Anleger bei einer Bungalowanlage für Touristen, für Reichere als mich, für Menschen, die voller Freude herkommen, die Essen und Sonne und Wasser und einander genießen, die auf Deutsch und Französisch und Englisch kommunizieren.
Ich dachte, hier gebe es keine anderen Norweger. Ich wusste, dass es möglich sein könnte. Aber ich hatte nicht darüber nachgedacht.
Petter ist außer sich vor Freude. Er springt an Bord, seegewohnt, wie er ist, ein Wasserjunge, er scheint in einem Boot geboren worden zu sein. Wir kommen vor den anderen an Bord; die Männer in den rosa Shorts grinsen und scherzen mit Petter, einem von ihnen, der die Fahrkarte schwenkt und der einzige unter allen seinen Freunden ist, der jemals mit der Ocean Murmur gefahren ist; dort stehen sie, die anderen, schlaksige, gerade aufgerichtete kleine Jungen mit ihren Bambusstangen und ihren grünen Blicken, gerichtet auf Petter, der noch immer mit der rechten Hand den Papierschnipsel schwenkt. Die übrigen Fahrgäste müssen auf dem Anleger warten, eine kleine Schlange, ungeduldig und ruhelos und nicht daran gewöhnt, dass alles seine Zeit braucht und dass die Uhrzeit hier nicht dasselbe ist wie in ihren besser organisierten Heimatländern. Sie tragen Golfhüte und Nylontaschen, sie sind das Stehen nicht gewohnt, können sich aber nirgendwo hinsetzen, ohne ihre Kleidung zu ruinieren.
Ich sehe sie unmittelbar, bevor sie an Bord kommen.
Zwei Frauen aus Norwegen, meinem Norwegen. Es sind nicht irgendwelche Frauen, sondern zwei, die ich kenne. Das heißt, ich kenne sie nicht persönlich, aber sie sind bekannt. Sie sind blond, kräftig, dominierend, elegant; sie fallen auf durch eine Selbstsicherheit, wie sie ohne einen Mann an ihrer Seite nur Skandinavierinnen aufbringen können.
Das ganze Boot wogt, als sie vom Anleger herabsteigen. Nicht, weil sie dick und schwer wären – denn das sind sie nicht –, ihr Ego ist so schwer, dass sie keine Hilfe brauchen; sie greifen nicht nach den ausgestreckten Bootsmannshänden, sondern lassen sich aus eigener Kraft ins Boot fallen, sodass das Wasser um die beiden schmalen Schiffsrümpfe aufspritzt, und sie lachen laut, und alle anderen mustern sie befremdet, was sie nicht bemerken oder sich nicht anmerken lassen.
In Norwegen gibt es keine Filmstars, aber die eine ist trotzdem einer. Ich habe über sie gelesen, habe Bilder von ihr gesehen, habe über Jahre hinweg ihre beiden Ehen und vier Geburten und ihre Scheidungen verfolgt, und ich weiß sogar, dass sie unter Magersucht gelitten hat. Das weiß ganz Norwegen. Aber jetzt ist sie offenbar geheilt.
Wieso sie mit einer Prominentenanwältin zusammen hier ist, weiß ich nicht. Die Anwältin ist größer, schlanker, hat frivole Brüste und bleichblonde Strähnen in den Haaren, die sie von ihrem Friseur in Norwegen mitgebracht hat, die jetzt aber von der Sonne fast weiß geworden sind.
Ich packe Petter am Arm und zerre ihn auf den anderen Schiffsteil, den äußeren.
»Hier wird heute kein Norwegisch geredet«, flüstere ich so laut wie möglich, um den Ernst der Lage zu betonen – ich fauche fast. »Kein Norwegisch, alles klar«, lacht Petter. »We’ll speak English.« Petter ist ein kluger Junge.
Ich begreife nicht, warum, aber
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