Meade Glenn
verzeihen, wenn ich sein Vertrauen missbrauchte.
Sie müssen mich verstehen, auch wenn Sie ein Freund Nikolais sind. Bitte stellen Sie mir keine Fragen mehr.«
Der Tschetschene hörte die Verzweiflung in ihrer Stimme und sah ihren besorgten Blick, den sie auf das Haus warf. Er stand seufzend auf. »Na schön. Wie Sie wollen. Ich möchte Sie trotzdem um etwas bitten, Safa Yassin.«
»Mich?«
Karla fröstelte, als Razan ihren Arm nahm. »Kommen Sie. Es ist kalt. Wir gehen ins Haus. Dort werde ich es Ihnen erklären.«
*
Als sie den Anbau betraten, stand der Arzt am Waschbecken und schrubbte sich die Hände. Im linken Mundwinkel hing eine Zigarette. Gorev lag bewusstlos auf dem Bett. Sein Bauch war verbunden. Der Arzt trocknete sich die Hände ab und kam auf sie zu. »Geschafft. Zum Glück verlief die Operation besser, als ich dachte. Ein Granatsplitter hat seinen Darm eingeritzt, aber ich konnte die Wunde säubern und den Riss nähen. Es dürfte kein Splitter mehr in der Wunde stecken. Um ganz sicherzugehen, müsste er geröntgt werden.«
»Wie geht es ihm?«, fragte Karla besorgt.
»Sein Puls ist stabil. Er ist sehr schwach und könnte gut einen oder zwei Liter Blut gebrauchen. Ich komme heute Nacht wieder, um eine Bluttransfusion vorzunehmen.«
»Wird er durchkommen?«, fragte Razan.
»Ich wünschte, meine Patienten wären alle in so guter Verfassung wie er.« Der Arzt lächelte. »Er wird nicht sterben, braucht aber viel Ruhe.«
»Wie lange?«, fragte Karla.
»Mindestens ein paar Tage.«
»Das… das ist unmöglich.«
»Wenn er sich nicht richtig erholt, bevor er aufsteht, wird die Wunde nicht heilen, und das wollen Sie doch sicher nicht, oder?«
Karla trat ans Bett. Gorev schlief tief und fest. Auf seiner Stirn glitzerten Schweißperlen. Sie zog sich einen Stuhl ans Bett, tauchte ein Tuch ins Wasser und tupfte ihm die Stirn ab.
»Wann wird er aufwachen?«
»Wenn die Narkose nachlässt. In ein oder zwei Stunden. Er wird vollkommen erschöpft sein, wenn er zu sich kommt.
Vorläufig sollte er nichts essen. Er kann Wasser trinken, wenn er danach verlangt.«
»Ich kann ihn heute Nacht nicht mitnehmen?«
Der Arzt schaute Karla an, als wäre sie verrückt geworden.
»Auf gar keinen Fall. Er braucht viel Ruhe.« Der Arzt packte seine Instrumente ein und wandte sich an Razan. »Ich habe Eduard Schmerztabletten und ein Antibiotikum dagelassen. Er wird sich um den Patienten kümmern, bis ich wiederkomme.
Morgen früh wissen mir mehr.«
»Danke, Arkady.«
Der Arzt grinste heiter und drückte seine Zigarette aus. »Kein Problem. Es war ein interessanter Abend. Ich kam mir vor wie auf dem Schlachtfeld.«
Nachdem sich der Arzt verabschiedet hatte, führte Razan Karla in den Salon. Er goss aus einer Kristallkaraffe Whisky in zwei Gläser und reichte ihr eins. »Trinken Sie. Sie sehen aus, als könnten Sie einen Schluck vertragen.«
Karla hob ihr Glas. Razan prostete ihr zu. »Auf Nikolai.
Hoffen wir, dass er sich schnell erholt.« Der Tschetschene trank einen Schluck, stellte sich ans Fenster und schaute auf den dunklen Rasen. »Er bleibt natürlich bei mir, bis er wieder auf den Beinen ist. Hier ist er in Sicherheit und wird gut betreut. Es steht Ihnen frei, bei ihm zu bleiben.«
»Das geht nicht. Heute nicht.«
Razan drehte sich zu ihr um. »Sie dürfen jederzeit zu mir kommen. Wenn Sie Nikolai ohne meine Erlaubnis hier wegschaffen, werde ich schrecklich wütend, Safa Yassin. Haben wir uns verstanden?«
Karla stellte ihr Glas auf den Tisch. »Bleibt mir eine andere Wahl?«
»Nein. Ich schätze Nikolai zu sehr. Weigern Sie sich noch immer, mir zu sagen, um was es geht?«
»Ich kann nicht.«
»Sie sind eine dickköpfige Frau.«
»Das hat nichts mit Dickköpfigkeit zu tun. Nikolai würde es Ihnen auch nicht sagen.«
Razan wandte sich vom Fenster ab und hob den Hörer des Telefons, das auf einem Beistelltisch stand. »Yegori soll zu mir kommen.«
Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Der Tschetschene, der Karla in den Wagen gestoßen hatte, betrat den Raum und ging sofort auf Razan zu. »Ishim?«
Razan flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin der Leibwächter den Raum wieder verließ.
Karla warf Razan einen erstaunten Blick zu. »Sie hatten eine Bitte an mich?«
Razan ließ sein Glas sinken. »Okay. Wissen Sie, was mir Sorgen macht? Die ganze Sache kommt mir verdammt seltsam vor. Meine alte Großmutter sagte immer, Ärger stünde ins Haus, wenn sie Kopfschmerzen bekam. Und das geht mir nun
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