Meade Glenn
menschenleer.
Rashid schloss den Wagen ab, rannte die Stufen hinauf, klingelte zweimal, wartete drei Sekunden und klingelte abermals zweimal. Eine zerrissene Gardine im Erdgeschoss bewegte sich, und kurz darauf wurde die Haustür geöffnet. Der kräftige Schwarze, Moses Lee, stand in T-Shirt und Jeans vor ihm. Lee musste zweimal hinsehen, um Rashid, der sich das Haar gefärbt hatte und keinen Ohrring trug, zu erkennen. »Na, neue Frisur?«, sagte er grinsend. »Ich hab dich früher erwartet, Bruder. Hast du den Wagen abgeschlossen?«
Rashid brummte eine Antwort und fragte: »Wo ist Abdullah?«
»In der Garage, wo er immer ist.«
Der verschmutzte graue Nissantransporter stand in der Mitte der Garage. Neben dem Wagen saß Abdullah auf einer Holzkiste und hielt Wache. Die Pumpgun lag auf seinem Schoß.
Als Rashid und Moses in die Garage kamen, stand er auf.
»Wir haben was zu besprechen«, sagte Rashid zu Lee. »Lass uns allein.«
Der Schwarze zuckte mit den Schultern. »Du bist der Boss.
Wenn du mich brauchst, ruf mich. Ich bin nebenan.«
Lee trottete mit seiner Heckler&Koch hinaus, und Rashid ging mit verschmitzter Miene auf den Nissan zu. Abdullah fielen sofort Rashids verändertes Aussehen und seine Hast auf.
Es roch schwer nach Ärger. »Was ist los?«, fragte er.
»Ich brauche was.« Rashid zog die Autoschlüssel aus der Hosentasche und drückte auf die Fernbedienung, woraufhin die Scheinwerfer aufflackerten und die zentralverriegelten Schlösser geöffnet wurden. Er riss die Hecktüren auf. Die Deckel auf den beiden Ölfässern waren mit Metallbändern sicher verschlossen.
Auf dem Boden stand der Computer, der mittels dünner Kabel mit den Fässern verbunden war. Rashid kletterte in den Wagen und ging zielstrebig auf die schwarze Ledermappe mit dem Zahlenschloss zu.
Abdullah beunruhigte Rashids Eile. Er beugte sich in den Wagen und fragte: »Mohamed, was tust du da?«
»Halt die Klappe.« Auf Rashids Schläfen glänzten Schweißperlen. Er stellte die Kombination ein und öffnete die Aktentasche, die eine elektronische Zeitschaltuhr und eine Zwölf- Volt-Batterie enthielt. Ein Kabel der Zeitschaltuhr steckte in einer Sprengkapsel, die in eine dicke Schicht Plastiksprengstoff eingebettet war. An einer Ecke der Aktenmappe hing eine mit Klebeband befestigte Fernsteuerung.
Die kleine, schmale schwarze Plastikbox von der Größe einer Handfläche war mit einer Diodenbatterieanzeige und einem Schalter versehen, um den Sprengstoff im Bedarfsfall aus der Ferne statt mit der Zeitschaltuhr zu zünden. Rashid vergewisserte sich, dass die Drähte noch nicht mit der Batterie oder der Zeitschaltuhr verbunden waren. Das wäre hier in unmittelbarer Nähe der Chemikalie überaus gefährlich gewesen.
Er würde die Kabel später anschließen, bevor er den Sprengsatz zündete. Jetzt musste er nur den Anruf tätigen und seinen Plan ausführen. Die Vorbereitungen hatte er für den Fall der Fälle schon Wochen im Voraus getroffen.
Abdullah runzelte ängstlich die Stirn. »Mohamed, was hast du vor?«
»Wir werden den Amerikanern eine bittere Lektion erteilen.«
46
19.32 Uhr
Der Old Ebbitt Grill auf der 15. Straße ist zwei Häuserblocks vom Weißen Haus entfernt. Das Restaurant mit der eleganten Einrichtung, der entspannten Atmosphäre, den intimen Nischen und der gemütlichen Bar war schon immer ein beliebter Treffpunkt für Theaterbesucher, Politiker und Geheimagenten.
Nikki kam um kurz nach halb acht in dem Restaurant an. Für einen Sonntagabend herrschte ziemlich viel Betrieb. An der Bar saßen zwei Politiker, die Nikki kannte. Einer hob lächelnd die Hand. Nikki ging auf die Kellnerin zu. »Kann ich Ihnen helfen, Madam?«
»Ich bin mit Brad Stelman verabredet. Er hat einen Tisch für halb acht bestellt.«
Die Kellnerin schaute in ihre Liste. »Richtig. Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
Sie führte Nikki in den hinteren Teil des Restaurants. Brad Stelman saß in einer gemütlichen Nische und wartete auf sie.
Kurz bevor sie ihn heute Abend wie verabredet um sechs Uhr hatte anrufen wollen, klingelte bei ihr das Telefon. Stelman bat sie in dringendem, leisem Ton, sich mit ihm im Old Ebbitt zum Abendessen zu treffen. Ehe er auflegte, schärfte er ihr noch ein, auf gar keinen Fall bei ihm zu Hause anzurufen. Nikkis Neugier war geweckt. Warum konnte er nicht am Telefon darüber sprechen und wollte sich unbedingt sofort mit ihr treffen?, schoss es ihr durch den Kopf. Sie brachte Daniel zu ihrer Mutter, fuhr
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