Meade Glenn
abend, aber über der Tür strahlte eine blaue Neonreklame, und laute Rockmusik drang aus dem Schuppen. Der Club war klein und sauber, aber das weiche rote Licht verlieh ihm etwas Anrüchiges. Auf der linken Seite befand sich eine kleine Bühne, und darum herum und an den Wänden gruppierten sich ein Sofa mit Kunstlederbezügen und Lehnstühle. An der Bar saßen zwei Frauen, die mit zwei mittelalten Männern plauderten, offenbar den einzigen Gästen.
Die Bühne wurde von einem Scheinwerfer angestrahlt, und eine sehr hübsche Philippinin tanzte zu der Rockmusik. Sie trug nur ein winziges schwarzes Höschen. Über ihr lief auf einem Bildschirm ein Porno.
Volkmann nannte der Bardame seinen Namen und fragte sie, ob er Herman Borchardt sprechen könne. Die Frau bat ihn zu warten, und kam kurz darauf mit einem Mann zurück.
Er war groß, blond, gutaussehend, hatte einen schmalen Schnurrbart und trug einen teuren, hellbraunen Anzug.
Trotzdem besaß er eine unangenehme Ausstrahlung, und Volkmann konnte ihn sich nur schwer als Student in Heidelberg vorstellen. Der Mann hielt ein Funktelefon in der Hand, und nachdem Volkmann sich vorgestellt hatte, führte Borchardt ihn zu einem freien Tisch.
Volkmann stellte alle wichtigen Fragen, und der junge Mann hörte ruhig zu. Als Volkmann fertig war, wurde schnell deutlich, daß Borchardt nicht viel zu sagen hatte, und er machte auch keinen Hehl aus seinem Desinteresse. Ab und zu sah er sich im Club um oder warf einen Blick auf die Uhr.
Daß Winter ermordet worden war, ließ ihn völlig kalt, und er behauptete, ihn damals in Heidelberg nicht sehr gut gekannt zu haben. Auch an Winters Freunde könne er sich nicht erinnern.
Er gab zu, daß er Winter gelegentlich auf Uni-Feiern getroffen hatte, aber von Lubsch habe er noch nie gehört und könne sich auch nicht erinnern, daß Winter je über Politik geredet hätte.
Borchard merkte nur ein einziges Mal auf, und zwar als Volkmann ihn fragte, ob Winter jemals Drogen genommen habe.
Der Wirt lächelte. »An der Uni haben doch alle Drogen genommen, Volkmann. Harte und weiche. Hat Winters Tod was mit Drogen zu tun?«
»Das weiß ich nicht, Herr Borchardt.«
Borchardt zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht helfen kann, Volkmann. Aber ich habe nur ein Jahr studiert, und das reichte mir völlig. An Winter kann ich mich kaum erinnern.«
Volkmann sah seinem Gesprächspartner forschend in die Augen, doch der Mann schien die Wahrheit zu sagen.
»Erinnern Sie sich an Erika?«
Borchardt grinste. »Wer könnte die vergessen? Die sah phantastisch aus. Die Jungs waren alle scharf auf sie.« Borchardt winkte mit dem Funktelefon, als wolle er damit das Zeichen für das Ende des Gesprächs geben.
Volkmann stand auf. »Wenn Sie sie sehen, geben Sie ihr einen Kuß von mir«, sagte Borchardt und grinste.
Es war nun zwar schon fast sieben Uhr abends, aber Volkmann beschloß, trotzdem nach Frankfurt zurückzufahren, statt in Hamburg zu übernachten.
Er brauchte mehr als fünf Stunden für die Fahrt und machte nur einmal vor Kassel eine kurze Pause und aß etwas auf einer Raststätte. Kurz vor ein Uhr nachts kam er in Frankfurt an.
Er holte seine Beretta unter dem Fahrersitz hervor und schob sie sich in die Jackentasche, bevor er in Erikas Wohnung ging. Er war sehr müde und kochte zunächst einmal Kaffee. Nachdem er ihn getrunken hatte, setzte er sich für zehn Minuten auf die Couch und schloß die Augen. Anschließend machte er sich daran, die Wohnung zu durchsuchen. Im Wohnzimmer begann er. Der Gedanke, die Habseligkeiten der jungen Frau zu durchwühlen, behagte ihm nicht besonders, aber es mußte getan werden.
Neben dem Computer lag ein ordentlicher Stapel von Papieren, außerdem gab es einen hölzernen Aktenschrank. Die Papiere untersuchte er zuerst. Es waren hauptsächlich Entwürfe für Artikel und Korrespondenz, die mit Erikas Arbeit zu tun hatte.
Weiter fanden sich Ausschnitte aus Magazinen, die mit Textmar-ker unterstrichen waren, und einige Kopien ihrer eigenen Artikel aus beliebten deutschen Frauenzeitschriften. Der Aktenschrank war unverschlossen, und er durchsuchte ihn ebenfalls. Dort fanden sich noch mehr Artikel, nach Themen geordnet, und eine Menge abgehefteter Korrespondenz mit ihren Redakteuren.
Als Volkmann ihr Schlafzimmer durchsuchte, nahm er den Duft ihres Parfums wahr. Ihre Kleider und Unterwäsche hatte sie ordentlich in Schubladen geräumt, und unter ein paar Höschen und Strümpfen fand er alte
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