Meade Glenn
des Kordits. Volkmann hatte schon vorher getötet und mehr Leichen gesehen, als ihm lieb war, aber er hatte noch nie mit angehört, wie ein anderer Mensch röchelnd sein Leben aushauchte. Als er sich endlich vom Anblick des Sterbenden losriß, bemerkte er den kalten Schweiß, der ihm auf der Stirn stand, und nahm das Ekelgefühl in der Magengrube wahr. Langsam trottete er zum Wagen.
Als er die Schaufeln aus dem Kofferraum nahm, hörte er das leise Ploppen von Molkes Beretta.
»Geht es wieder?« fragte Molke ihn, als er zurückkam.
»Sicher.«
Volkmann sah auf den Leichnam herunter. Aus Felders rechter Schläfe sickerte eine dünne Blutspur. Dort hatte Molke den Gnadenschuß angesetzt.
Volkmann unterdrückte das scharfe, würgende Gefühl in seiner Speiseröhre und fragte Molke: »Hat er die Wahrheit gesagt?«
Molke nahm die Schaufeln und fing zwei Meter von Felder entfernt an zu graben.
»Nie und nimmer, Joe. Weil er nicht reden wollte, haben wir ihm Scopolamin gegeben, die Wahrheitsdroge. Felder war ein widerlicher Mistkerl. Ihm ging einer ab, wenn er Leute foltern konnte. Und er lief allmählich aus dem Ruder. Als unsere Leute in seine Wohnung in der Friedrichstraße eingebrochen sind, haben sie das übliche Zeug gefunden, mit dem sich Kerle wie er die Zeit vertreiben.«
»Was denn?«
»Pornografische Bücher und Videos. Verflucht gewalttätiges Zeug – ein echtes Horrorkabinett. Kinder, die vergewaltigt wurden, und Frauen, die man aufgeschlitzt hat. Felder war Abschaum. Einer unserer Kontaktleute hat uns berichtet, daß sogar die Stasi und der KGB schockiert waren, als sie erfuhren, was er unseren Leuten angetan hat.«
Volkmann wandte den Blick ab und fing an zu graben. Die Erde war weich und feucht, und der süße Duft des Humus drang ihnen in die Nase. Ein Meter Tiefe reichte für Felders Grab.
»Aber sie werden wissen, was ihm zugestoßen ist, wenn er nicht aufläuft.«
»Sicher. Sie werden zwei und zwei zusammenzählen und dankbar sein. Es ist ihnen klar, daß es ein Quidproquo gewesen ist. Wir würden dasselbe erwarten, wenn einer unserer Leute sich wie Felder aufführen würde. Es gibt ein paar ungeschriebene Gesetze in unserem Job, und Felder hat sie verletzt.« Mit einem Krachen traf seine Schaufel etwas. Iwan Molke hörte plötzlich auf zu graben und starrte entsetzt auf die Erde vor sich.
»Um Himmels willen!« flüsterte er ungläubig.
Jetzt erst erblickte Volkmann den schmutzigen Schädel in der frischen Erde. Als Molke ihn mit der Schaufel umdrehte, kam noch ein zweiter Schädel zum Vorschein.
Molke war blaß geworden. Er kniete sich hin, zog die Handschuhe aus und nahm den ersten Schädel in die Hand, legte ihn neben sich und machte dasselbe mit dem anderen. Dann grub er tiefer und stieß rasch auf einen ganzen Haufen Knochen.
Es handelte sich um die Überreste zweier Leichen, und für Volkmann sah es aus, als hätten sie schon lange hier gelegen. Im Hinterkopf jedes Schädels befand sich ein kleines, rundes Loch.
Molke wandte sich ab und übergab sich.
»Schütten Sie es wieder zu.«
»Aber …«
Molke wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab.
»Machen Sie schon! Schaufeln Sie die Erde wieder drauf. Wir begraben Felder woanders.«
Molkes Gesicht war schweißnaß. Volkmann fand es absurd, daß der Mann beim Anblick von Felders blutiger Leiche so ruhig bleiben konnte, ihn der Anblick dieser Skelette jedoch so mitnahm.
Als sie eine Stunde später wieder in die Stadt fuhren, sagte Molke kein Wort.
Es hatte zu regnen begonnen, und zehn Minuten vor dem Kurfürstendamm bog Molke auf einen Rastplatz an der Stadtautobahn, parkte und stellte den Motor ab.
»Lassen Sie uns was trinken gehen.«
Ihm zitterten die Hände. Volkmann folgte ihm in die Raststätte. Sie setzten sich an einen ruhigen Tisch weit weg von einer Gruppe lauter Fernfahrer. Volkmann bestellte sich einen Kaffee, Molke einen doppelten Whisky. Dann betrachtete er schweigend den frühen Morgenverkehr. Nachdem der Kellner die Getränke gebracht hatte, musterte Volkmann seinen Kollegen neugierig. Der ältere Mann trank seinen Whisky aus und blickte wieder aus dem Fenster. Nachdenklich massierte er sich den Nacken.
»Was unternehmen wir wegen der Knochen?«
Molke sah Volkmann an. »Nichts«, erwiderte er ruhig. »Wer auch immer das gewesen ist, liegt schon lange dort. Ich wollte nur nicht, daß bei denen so ein Mistkerl wie Felder begraben ist.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Diese Leichen liegen da schon seit dem
Weitere Kostenlose Bücher