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Meade Glenn

Meade Glenn

Titel: Meade Glenn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unternehmen Brandenburg
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Windjacke, und er zitterte auf den kalten Bohlen des Stegs vor Kälte. Die Augen fielen ihm zu, und er riß sie mühsam wieder auf.
    »Etwa Ende des dritten Semesters habe ich Winter ziemlich gut kennengelernt. Jedesmal, wenn wir zusammen einen getrunken haben, drehten sich die Gespräche um Politik. Winter war ein Trinker und Schwätzer, aber wir haben uns nie wirklich gestritten, sondern immer nur heftig diskutiert, weil wir recht gegensätzliche Sichtweisen hatten. Eines Tages hat er mich gefragt, ob ich nicht mit einer Gruppe seiner Freunde ein Wochenende in der Lüneburger Heide verbringen wollte. Wir waren zu siebt, noch mehr Studenten, aber nur Winter und ich kamen aus Heidelberg.
    Zwei stammten aus der Arbeiterklasse und waren ganz schön hart drauf. Intellektuell waren sie uns überhaupt nicht gewachsen.
    Aber Winter hatte sie trotzdem mitgenommen. Wir wohnten in einem gemieteten Haus im Wald und tranken in den Kneipen im Dorf. Wir sind spazierengegangen und haben Tag und Nacht diskutiert. Über Politik, Philosophie und Geschichte.«
    »Kannten alle anderen Winter?«
    Lubsch blickte kurz hoch. »Sicher. Es war wie eine Bruderschaft. Als würden sich alle sehr gut kennen.«
    Lubsch schwieg.
    »Was waren das für Freunde von Winter?« hakte Volkmann nach.
    »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt, Volkmann. Winter hatte sie mitgebracht. Ich hatte sie noch nie zuvor gesehen.«
    »Ich will Namen hören, Lubsch!«
    »Ich kann mich nur an einen erinnern. An einen Naturwissenschaftler. Er hieß Kesser. Lothar Kesser. Er war etwa in meinem Alter und kam aus Bayern.«
    »Wo in Bayern?«
    Lubsch schüttelte den Kopf. »Irgend so’n kleines Kaff, glaub’
    ich. Hab’s vergessen.«
    »Sie sagten, diese Gruppe wäre wie eine Bruderschaft gewesen. Beschreiben Sie das genauer.«
    »Es war, als gäbe es da ein Band zwischen ihnen.
    Beunruhigend. Wie in einer Geheimgesellschaft. Ich kann das nicht erklären, Volkmann. Aber ich gehörte jedenfalls nicht zu ihrem Kreis, ich war keiner von denen und nur da, weil Winter mich mitgebracht hatte.«
    »Weiter.«
    »Als die anderen eines Abends schlafen gegangen waren, hat dieser Kesser mir vorgeschlagen, einen Spaziergang mit ihm zu unternehmen. Nur er und ich. Es war zwar ziemlich kalt draußen, und wir hatten was getrunken, aber ich habe trotzdem zugestimmt. Ich hatte das Gefühl, daß Kesser unter vier Augen mit mir reden wollte. Also sind wir eine Stunde lang durch den Wald gestiefelt. Kesser redete unaufhörlich über Deutschland.
    Und zwar nicht über die schlechten Seiten, sondern über seine Vorzüge. Wie Deutschland in seiner Geschichte immer Zeiten schweren Leidens und der Umwälzung durchgemacht habe. Wie es alle Hindernisse aus dem Weg geräumt hätte und Ordnung aus dem Chaos geschaffen habe. Diese ganze Scheiße. Als wollte Kesser mir eine Art politischer Litanei halten. Er hat noch gesagt, daß den Deutschen wieder eine Zeit der Unordnung bevorstehen würde. In naher Zukunft würde es eindeutig neue Probleme geben. Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Politischer, wirtschaftlicher und sozialer Art. Aber dadurch würden sich auch Gelegenheiten ergeben, und wir Deutschen müßten alle zusammenhalten und, wenn die Zeit käme, die Gelegenheit beim Schopf packen, um ein besseres Vaterland zu schaffen. Ich war ziemlich betrunken, aber ich fand, daß Kesser Mist redete. Ich erklärte ihm, daß mir das alles ziemlich unreif vorkommen würde, idealistische Scheiße eben.«
    »Was hat Kesser dazu gesagt?«
    »Er wurde wütend und meinte, wenn die Zeit reif wäre, würden er und die anderen, die seine Einstellungen teilten, finanzielle Unterstützung für ihre Sache bekommen. Er weigerte sich, das weiter zu erklären, kam aber plötzlich damit heraus, er wüßte, daß ich mit einem Ableger der Rote Armee Fraktion zu tun hätte. Und er und Winter würden mich und meine Freunde nicht als Terroristen sehen, sondern nur als enttäuschte Deutsche, die ein anderes Deutschland haben wollten. Dann meinte er noch, wir könnten uns ihnen anschließen, wenn wir wollten.«
    »Was haben Sie darauf geantwortet?«
    »Ich sagte, das wäre nett von ihm, aber er läge ziemlich schief.
    Ich hätte mit keiner linken Gruppe zu tun. Ich war zwar betrunken, Volkmann, aber ich war auch vorsichtig. Außerdem dachte ich, daß Kesser mir nur etwas vorspielte. Vielleicht waren er und Winter ja Agenten vom Verfassungsschutz, V-Männer oder so was. Kennt man ja: Die schicken ihre

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